Initiative gegen Pflegemangel

Eine kosovarisch-deutsche Pflege-Partnerschaft

Ohne Fachkräfte aus dem Ausland geht es in der Pflege nicht mehr, darin sind sich Arbeitgeber einig. Initiativen zur Anwerbung gibt es viele, manche führen bis ans andere Ende der Welt. Der private Krankenversicherer DKV geht jetzt einen anderen Weg: Er wirbt künftige Mitarbeiter schon in der Ausbildung an und kooperiert dafür mit einer privaten Universität im Kosovo.

Von Katrin Berkenkopf Veröffentlicht:
Pflegefachkräfte werden an allen Orten gesucht – in Heimen wie Kliniken. Die DKV will jetzt direkt in Kooperation mit einer Universität im Kosovo junge Fachkräfte für den deutschen Arbeitsmarkt anwerben.

Pflegefachkräfte werden an allen Orten gesucht – in Heimen wie Kliniken. Die DKV will jetzt direkt in Kooperation mit einer Universität im Kosovo junge Fachkräfte für den deutschen Arbeitsmarkt anwerben.

© Oliver Berg / dpa

Die Deutsche Krankenversicherung (DKV) hat schon vor Jahren entschieden, nicht nur private Krankenversicherung anzubieten, sondern auch selbst als Anbieter auf dem Gesundheitsmarkt mitzuspielen. Sie betreibt zwei Seniorenresidenzen und unterhält den Pflegedienst Micura, dessen Leistungen allen offen stehen – theoretisch, denn tatsächlich muss Micura mittlerweile viele Anfragen ablehnen, mangels ausreichender Pflegekräfte. Allein bei der DKV Pflegedienste und Residenzen (DKV P&R) sind 55 Stellen unbesetzt. Für Geschäftsführer Uwe Peters steht deshalb schon länger fest: „Wir müssen den Weg Richtung Ausland gehen.“

Herr des Verfahrens

Vorhandene Initiativen zur Anwerbung von Fachkräften überzeugten ihn nicht. Vietnam, die Philippinen oder China etwa sind für ihn viel zu weit weg. Die künftigen Mitarbeiter sollten schließlich die Möglichkeit haben, regelmäßig ihre Familien zu besuchen. „Und wir wollten Herr des Verfahrens sein. Wir möchten selbst entscheiden, wer zu uns kommt, und die Bewerber auch darüber aufklären, was sie erwartet.“ Vor zwei Jahren stieß die DKV P&R auf die private Universität AAB in der kosovarischen Hauptstadt Pristina. Sie bietet den Studiengang „Nursing“ an, also in etwa Pflegewissenschaften. 800 Studierende gibt es hier – 90 Prozent von ihnen haben den Wunsch, später im europäischen Ausland zu arbeiten. Mehr als die Hälfte der jungen Menschen im Kosovo ist arbeitslos.

Deutschkurs bis Sprachniveau B2

Im Sommer dieses Jahres unterschrieb der deutsche Gesundheitsdienstleister Kooperationsverträge in Pristina und begann gleich damit, Studierende als künftige Mitarbeiter zu rekrutieren. Im Oktober haben die ersten Sprachkurse begonnen. Parallel zum Studium lernen die künftigen Pfleger täglich Deutsch bis zum Sprachniveau B2. Im August 2019 werden die ersten mit dem Studium fertig sein, dann schließt sich laut kosovarischem Curriculum noch ein halbjähriges Praktikum an.

Wer die Prüfung besteht, kann im Frühjahr 2020 nach Deutschland reisen und erhält sofort eine bezahlte Anstellung als Pflegehelfer. Zwischen 20 und 40 neue Mitarbeiter erwartet Uwe Peters aus diesem ersten Durchgang.

Zwar hat sich AAB darauf eingerichtet, dass die Studenten später im Ausland arbeiten und die Ausbildung darauf abgestellt. Identisch ist sie mit der etwa in Deutschland dennoch nicht, erklärt Elke Brüggemann, Projektleiterin bei DKV P&R. So sind im Kosovo weder die spezielle Altenpflege noch die Grundpflege bekannt, letztere müssen etwa bei einem stationären Aufenthalt die Angehörigen übernehmen. Eine Nachqualifizierung in Deutschland ist deshalb nötig, um die Gleichwertigkeit der Ausbildung anerkannt zu bekommen.

In Nordrhein-Westfalen ist dafür die Bezirksregierung Düsseldorf verantwortlich. Lukas Schmülling, Leiter der dortigen Stelle für die Berufsanerkennung von Gesundheitsfachberufen, rechnet für die erste Gruppe mit einem Nachschulungsbedarf von 360 Stunden. Mit der Bezirksregierung hat die DKV P&R für das Projekt von Anfang an zusammengearbeitet. Das soll die Anerkennung beschleunigen und vereinfachen.

Allerdings ist der Pflegedienst Micura in fünf Bundesländern aktiv – sollten die kosovarischen Pflegekräfte außerhalb NRWs arbeiten, müssen die Behörden dort die Ausbildung ebenfalls anerkennen.

Ab Vertragsabschluss begleitet DKV P&R seine künftigen Mitarbeiter und hilft etwa bei der Visa-Erteilung. Hier ist ein langer Atem gefragt: Allein auf einen Termin zur Antragstellung in der deutschen Botschaft in Pristina müssen Kosovaren derzeit rund ein Jahr warten, berichtet Uwe Peters. In die Ausbildung investiert die DKV pro Studierendem rund 5200 Euro, etwa für den Sprachkurs.

Peters ist schon jetzt begeistert von der Zusammenarbeit mit dem Kosovo und ermuntert andere Pflegedienstleister, sich dort ebenfalls zu engagieren. Mit der Diakonie hat er bereits gesprochen. „Das Potenzial ist für uns alleine viel zu groß.“

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