Sterbehilfe-Verbot

Der Kampf der Gesetzentwürfe

Widerstand gegen die FDP: Unionspolitiker wollen die Pläne für ein Sterbehilfeverbot nicht mittragen - weil sie zu lax sind. Jetzt liegt eine Alternative vor. Die Hoffnung mancher: Das jetzige Gesetzes-Projekt wird vorerst auf Eis gelegt.

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Abschied nehmen.

Abschied nehmen.

© imago

BERLIN. Die Diskussion um ein Verbot der Sterbehilfe geht in die nächste Runde: Denn in der Union wächst der Widerstand gegen den Gesetzentwurf von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Vielen Politikern von CDU und CSU geht das geplante Verbot nicht weit genug.

Sie haben jetzt einen deutlich weitergehenden Gesetzentwurf vorlegt, in dem sämtliche Formen organisierter Sterbehilfe verboten werden sollen. Am Ende der Debatte könnten die Pläne von Frau Leutheusser sogar im Papierkorb landen. Und die Frage ist: Wäre ihr das nicht sogar ganz Recht?

Zur Erinnerung: Im Sommer hatte das Justizministerium einen Gesetzentwurf für ein Verbot der Sterbehilfe vorlegt. Gegen den geplanten Paragrafen 217 im Strafgesetzbuch liefen prompt Bundesärztekammer, Kirchen und Patientenschützer Sturm. Sie vermuteten, dass der geplante Paragraf schlimmstenfalls der organisierten Suizidbeihilfe Tür und Tor öffnen könnte.

Verbotsbefürworter, wie etwa der Ärztetag, fordern sämtliche organisierte Beihilfeformen zur Selbsttötung zu verbieten. Dazu zählt auch die geschäftsmäßige Hilfe ohne Absicht, Gewinne zu erzielen - eine Anspielung auf zahlreiche Sterbehilfevereine.

Der Entwurf aus dem Ressort von Frau Leutheusser ist allerdings weit hinter diesen Zielen zurückgeblieben: Die Beamten der FDP-Ministerin wollen lediglich die gewerbsmäßige, also gewinnorientierte Beihilfe verbieten.

Außerdem, und daran stößt sich vor allem die BÄK, sollen "nahestehende" Personen Sterbehilfe straffrei praktizieren dürfen. Das können letzten Endes auch Ärzte sein, die über lange Zeit einen schwer kranken Patienten betreut und dadurch eine persönliche Beziehung zu ihm aufgebaut haben.

Die Justizministerin ist alles andere als eine bekennende Verbotsbefürworterin. Noch im Juni hatte sie öffentlich zu Protokoll gegeben, dass sie keinen Bedarf für eine gesetzliche Regelung der Sterbehilfe in Deutschland sieht.

So mutmaßten manche Beobachter kurz nach Bekanntwerden des Gesetzentwurfes sogar, dass Frau Leutheusser den Entwurf bewusst "diskutabel" gestaltet hat, damit dessen Chancen schwinden, noch vor dem Ende dieser Legislaturperiode überhaupt verabschiedet zu werden.

Nach der nächsten Bundestagswahl im September wäre der Gesetzentwurf schließlich Makulatur, er müsste völlig neu ins Parlament eingebracht werden.

Die Chancen darauf scheinen derweil nicht schlecht zu stehen, denn in der Unionsfraktion aus CDU und CSU wächst die Front der Kritiker. Jetzt haben sie einen eigenen und deutlich verschärften Gesetzesentwurf für ein Sterbehilfeverbot vorgelegt.

Verbieten wollen sie die "auf wiederholte Tatbegehung gerichtete Suizidunterstützung durch Einzelpersonen oder organisierte Personengruppen", die "Suizidbeförderung aus selbstsüchtigen Motiven" (Paragraf 217 StGB) und die "Werbung zur Förderung von Selbsttötungen" (Paragraf 217a StGB).

Die gute Tradition des Parlaments

Bestraft werden sollen die ersten zwei Fälle mit bis zu drei Jahren und der letzte Fall mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe.

Die Unionspolitiker sehen ihren Entwurf zunächst als Diskussionsgrundlage. Sie wollen damit eine fraktionsübergreifende Debatte anstoßen, denn von dem Regierungsentwurf erwarten sie nicht viel mehr, als "dass er im Wesentlichen wirkungslos bleiben würde". Gemeint ist damit das Adjektiv "gewerbsmäßig" aus dem Leutheusser-Entwurf.

Damit würden etwa solche Vereine nicht erfasst werden, die ihre Sterbehilfedienste "gebührenfrei" anbieten - oder die etwa die Mitgliedsbeiträge nach dem Suizid zurückzahlen. Allerdings wäre auch mit dem Alternativentwurf der Unionspolitiker der Einzelfall der Suizidbeihilfe weiterhin straffrei.

"Mir geht es nicht um den verzweifelten Einzelfall", sagte Hubert Hüppe der "Ärzte Zeitung". Der CDU-Abgeordnete ist Beauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen und einer die Initiatoren des Alternativentwurfs.

Für Hüppe zählt vielmehr "der Suizid, der aus einer plötzlichen Situation hervorgerufen wird und von dem viele Menschen im Nachhinein sagen: ‚Gut, dass es nicht geklappt hat.‘" Hüppe will die Schwelle für einen Suizid so hoch wie möglich hängen - und er ist in guter Gesellschaft.

Etliche Unionspolitiker haben sich bereits gegen den Gesetzesentwurf von Frau Leutheusser ausgesprochen, die einen mehr, die anderen weniger stark öffentlich. Zu den Kritikern zählen der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn, und die rheinland-pfälzische Oppositionsführerin Julia Klöckner.

Anfang Dezember hatte sogar der CDU-Bundesparteitag in Hannover ein völliges Verbot der organisierten Sterbehilfe gefordert. Unter Beschluss "C 83" fordert die Partei ihre Bundestagsfraktion auf, sich über den aktuellen Gesetzesentwurf hinaus "dafür einzusetzen, dass auch die unentgeltliche, aber geschäftsmäßig erbrachte Hilfeleistung zur Selbsttötung (organisierte Sterbehilfe) unter Strafe gestellt wird".

Ein Entwurf liegt nun vor, wenn bislang auch nur als Diskussionsgrundlage. Auch der Fraktionschef der Union, Volker Kauder, hat die Vorlage längst erhalten. Er war übrigens derjenige, der gemeinsame SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, vor über einem Jahr den fraktionsübergreifenden Organspendekompromiss angestoßen hat.

Jetzt heißt es, für den Alternativentwurf zum Sterbehilfeverbot, Mehrheiten zu organisieren. "Wir möchten nicht, dass das so einfach durchgeht, weil es im Koalitionsvertrag steht", sagt Hüppe. "Es geht schließlich um Leben und Tod."

Womöglich schließen sich dann auch Politiker anderer Fraktionen dem Alternativentwurf an. Die Gruppe könnte den Leutheusser-Entwurf dann über Änderungsanträge aus den Ausschüssen in ihre Richtung verändern. Das wäre die eine Möglichkeit.

Die andere, womöglich sogar wahrscheinlichere Version wäre aber die Verzögerung. Zwar wurde der Leutheusser-Entwurf bereits in erster Lesung im Bundestag beraten. Auch hatte der Rechtsausschuss jüngst zur Anhörung geladen, doch Bremsmöglichkeiten im Gesetzgebungsverfahren gibt es noch einige.

Der jetzige Regierungsentwurf könnte somit von einer Debatte in die Ablage verdrängt - bis in der kommenden Legislatur das Gesetzgebungsverfahren von Neuem beginnen müsste.

Tatsächlich wäre eine fraktionsoffene Debatte eine gute Tradition des Parlaments. Ähnliche liefen die Verfahren auch bei anderen ethisch strittigen Themen, etwa der Novelle des Transplantationsgesetzes oder der Präimplantationsdiagnostik. (nös)

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