Bundesgerichtshof

Wille des Patienten ernst nehmen!

Bundesgerichtshof: Mutmaßlicher Wille muss berücksichtigt werden.

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Zur Patientenverfügung hat der Bundesgerichtshof aktuell ein Urteil gefällt.

Zur Patientenverfügung hat der Bundesgerichtshof aktuell ein Urteil gefällt.

© Dan Race / Fotolia

KARLSRUHE. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe ist gerichtlichem Widerstand gegen den in einer Patientenverfügung erklärten Sterbewillen entgegengetreten. Dieser sei ernst zu nehmen, das Gegenteil nicht durch Überinterpretation hineinzulesen. So lasse sich aus einer Ablehnung aktiver Sterbehilfe durch eine Katholikin nicht ableiten, sie würde auch einen Abbruch der künstlichen Ernährung nicht wollen. Im konkreten Fall geht es um eine inzwischen 76 Jahre alte Frauaus Bayern. Nach einem Schlaganfall 2008 hatte sie einen hypoxisch bedingten Herz-Kreislaufstillstand. Seitdem liegt sie im Wachkoma und wird über eine Magensonde ernährt und mit Flüssigkeitversorgt.

Aktive Sterbehilfe abgelehnt

In einer bereits 1998 geschriebenen Patientenverfügung lehnte die Frau lebensverlängernde Maßnahmen ab, wenn "keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht". Um Schmerzen zu lindern, nehme sie gegebenenfalls auch eine Verkürzung ihres Lebens in Kauf. "Aktive Sterbehilfe lehne ich ab." Ihren Sohn benannte sie als "Vertrauensperson". Im Einvernehmen mit dem Arzt seiner Mutter will der Sohn seit 2014 die künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr einstellen. Dagegen sperrt sich der Ehemann.

Gestützt auf verschiedene angebliche Anhaltspunkte lehnte das Landgericht Landshut den Antrag des Sohnes ab. Dabei verwies es insbesondere auf die Ablehnung der aktiven Sterbehilfe. Zudem sei die Frau praktizierende Katholikin gewesen. Daraus ergebe sich ein "Wertesystem", wonach die Frau auch die Beendigung der künstlichen Ernährung ablehne.

Überinterpretation nicht zulässig

Doch nach dem BGH-Urteil dürfen die Gerichte auf Weise nicht einfach Dinge in eine Patientenverfügung hineinlesen. Der Sterbewunsch sei hier klar formuliert. In vielen Punkten lehnte der BGH die Argumentation des Landgerichts als fehlerhaft ab. So sei ein Abbruch der künstlichen Ernährung keine Sterbehilfe. Allein der katholische Glaube lasse auch keine solchen Schlüsse zu, zumal kein Zeuge mit der Frau je über konkrete Glaubensinhalte gesprochen habe. Auch ließ der BGH das Argument nicht gelten, die Frau wolle eine möglichst schmerzlindernde Behandlung, der Abbruch der Ernährung könne aber zu Schmerzen führen.

Nach alledem geht der BGH von einem Sterbewillen der Frau aus, wenn "keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht". Dies soll das Landgericht nun noch prüfen. Wenn ja, sei eine gerichtliche Genehmigung für das Ende der künstlichen Ernährung gar nicht erforderlich. Andernfalls müsse das Landgericht den mutmaßlichen Willen der Patientin erkunden. (mwo)

Urteil des Bundesgerichtshofs: Az.: XII ZB 604/15

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