Metastasierter Brustkrebs

"Jeder Tag ist kostbar!"

Von der Gesellschaft abgeschrieben? Frauen mit metastasiertem Brustkrebs haben im Schnitt noch eine Lebenserwartung von drei Jahren. Ist das der Grund, weshalb das öffentliche Interesse an ihrem Schicksal kaum vorhanden ist?

Christoph FuhrVon Christoph Fuhr Veröffentlicht:

MADRID. Sie beklagen Defizite in der Kommunikation mit ihren Ärzten, fühlen sich isoliert, stigmatisiert, von Politikern übersehen, von Journalisten – wenn überhaupt – völlig falsch dargestellt. Europaweit wollen Frauen mit metastasiertem Brustkrebs jetzt mit einer positiven Botschaft in die Offensive gehen: Metastasierter Brustkrebs (Metastatic Breast Cancer, mBC) ist zwar eine unheilbare Krankheit, aber sie lässt sich gut managen und bietet Potenzial für viele weitere Lebensjahre!

In Madrid haben in der vergangenen Woche engagierte Patientinnen aus Selbsthilfegruppen, Onkologen und Fach-Krankenschwestern aus mehreren europäischen Ländern sowie Israel und Nordafrika gemeinsam nach Wegen gesucht, um die Lebensbedingungen dieser Frauen zu verbessern. Das Motto des von Pfizer unterstützten Kongresses: "Jeder Tag ist kostbar".

Kommunikation mit Defiziten

Kostbar um so mehr, als dass im Versorgungsalltag der Patientinnen immer noch vieles nicht funktioniert. Dazu gehört etwa, dass die unbefriedigende Kommunikation mit Ärzten ein Dauerärgernis bleibt. Die Suche nach Ursachen gestaltet sich kompliziert.

 Bei einer Befragung von Onkologen in den USA etwa hatten 44 Prozent der Ärzte angegeben, die Behandlung von mBC-Patientinnen habe markante negative Auswirkungen auf ihre eigene Befindlichkeit. Begründet wurde das auch mit der für die Onkologen frustrierenden Tatsache, dass die therapeutischen Optionen letztlich begrenzt seien.

In einer anderen Befragung hatten lediglich 43 Prozent der beteiligten Ärzte versichert, sie hätten in ihrer Ausbildung tatsächlich gelernt, wie man Patientinnen und Angehörigen schlechte Nachrichten überbringt.

Die sprechende Medizin werde unterschätzt und müsse bereits in der Mediziner-Ausbildung grenzübergreifend einen größeren Stellenwert erhalten, hieß es beim Meeting in Madrid. Angemahnt wurden spezielle Guidelines, um die Arzt-Patienten-Kommunikation weiter zu verbessern. Zugleich forderten Fachkrankenschwestern, sie müssten mit ihrem Know-how stärker in Behandlungsprozesse einbezogen werden.

Keine verläßlichen Datenquellen

Immer noch fehlen in der öffentlichen Diskussion klare Begriffsdefinitionen. Verlässliche Datenquellen, die helfen könnten, auch nach außen die Probleme der betroffenen Frauen effizienter zu kommunizieren, sind kaum vorhanden. Und es gibt krasse Informationsdefizite, wie der von Pfizer initiierte General Population Survey 2015 deutlich macht.

Die Frage: "Glauben Sie, dass metastasierter Brustkrebs heilbar ist", beantworteten 55 Prozent der in Deutschland befragten Bürger mit "Ja", in der Türkei waren es sogar 76 Prozent.

Wie kann die Perspektive der Patientinnen nachhaltig in gesundheitspolitische Entscheidungen einfließen? Auch das war eine in Madrid diskutierte Frage mit wenig Aussicht auf befriedigende Antworten. Die Einsicht der meisten Politiker für die Bedeutsamkeit des Problems ist bisher nicht einmal im Ansatz vorhanden.

Bemängelt wurde, dass viele Länder bisher keine nationalen Krebspläne entwickelt haben. Hier müsste zunächst sichergestellt werden, dass es überhaupt eine öffentliche Sensibilisierung für das Thema Krebs gibt.

Erst im zweiten Schritt könnte dann der Fokus auf Brustkrebs gerichtet werden – die Interessen der mbC-Frauen stehen hintenan – nicht nur nur in diesen Problemländern.

Auch die in Madrid formulierte Forderung, Journalisten müssten besser geschult werden, um die Anliegen der Patientinnen qualifizierter in ihrer Berichterstattung zu berücksichtigen, dürfte nur schwer Chancen auf Erfolg haben. Es bedürfe konkreter Ereignisse, um Pressevertreter überhaupt für dieses Thema zu sensibilisieren, hieß es beim MBC-Summit.

Tode einer Moderatorin

Der Tod der deutschen TV-Moderatorin Miriam Pielhau im Juli wäre so eine Chance gewesen. Sie starb an metastasiertem Brustkrebs, für eine kurze Zeit beschäftigten sich die Medien ausführlich mit ihrer tragischen Lebensgeschichte.

Für solche Situationen, in denen das öffentliche Interesse zumindest vorübergehend groß ist, wäre es wichtig, den Medien professionell aufbereitete Fakten möglichst schnell zur Verfügung zu stellen. "Wir müssen auf solche Situationen vorbereitet sein", sagte Eva Schumacher-Wulf, Chefredakteurin der deutschen Krebsmagazins "Mamma Mia".

Bei allen zum Teil frustrierenden Erfahrungen ließen die Teilnehmer des Meetings am Ende allerdings keinen Zweifel: Sie wollen weiterkämpfen – im Interesse von metastasierten brustkrebskranken Frauen, für die jeder einzelne Tag kostbar ist.

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