Erweiterter Bewertungsausschuss

Strittiger Beschluss zum Ärzte-Honorar

Die Ärzte sollen im kommenden Jahr etwas mehr Honorar erhalten: Das hat der Erweiterte Bewertungsausschuss beschlossen. Der GKV-Spitzenverband stimmte zu, die KBV war dagegen. Den Ausschlag gab die Stimme des Ausschussvorsitzenden Professor Jürgen Wasem. Die Ärzte sind sauer.

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Die Ärzte zeigen sich mit dem Beschluss im Erweiterten Bewertungsausschuss unzufrieden.

Die Ärzte zeigen sich mit dem Beschluss im Erweiterten Bewertungsausschuss unzufrieden.

© thomas lehmann / istockphoto

BERLIN (HL/sun/af/ths). Der Orientierungspunktwert und damit die Gesamtvergütung der Vertragsärzte soll im nächsten Jahr um 0,9 Prozent steigen. Das sind rund 300 Millionen Euro.

Das hat der Erweiterte Bewertungsausschuss mit Zustimmung des GKV-Spitzenverbandes und der Stimme des Ausschussvorsitzenden Professor Jürgen Wasem gegen das Votum der KBV beschlossen.

Das Ergebnis liegt ziemlich genau in der Mitte der diesmal extrem weit auseinanderliegenden Vorstellungen von KBV und GKV-Spitzenverband.

Die KBV hatte einen Zuwachs von 3,5 Milliarden Euro gefordert, der GKV-Spitzenverband hatte eine Senkung der Honorarsumme von etwa 2,2 Milliarden Euro verlangt und dies mit Rationalisierungseffekten nicht zuletzt durch eine intensivere Kooperation der Ärzte begründet. Die KBV hatte im Vorfeld der Verhandlungen unter anderem einen erheblichen Investitionsstau in den Praxen geltend gemacht.

GKV-Spitzenverband: "Vernünftige Lösung"

"Das ist nicht das von den Krankenkassen geforderte Ergebnis, aber eine vernünftige Lösung, die den Interessen beider Seiten entgegenkommt. Trotz der beeindruckenden Steigerungen der letzten Jahre werden die Honorare der Ärzte weiter steigen, wenn auch nicht in dem Umfang, wie es ihre Verbandsvertreter angestrebt hatten", sagte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Johann-Magnus von Stackelberg.

Die Kassen hatten ein Absenken des Orientierungswertes auf 3,25 Punkte gefordert. Das wären 2013 rund zwei Milliarden Euro weniger gewesen.

Jetzt sind es nach ersten Berechnungen der Kassen rund 270 Millionen Plus für die Ärzte geworden, was im Schnitt rund 1800 Euro je niedergelassenem Arzt entspreche.

Zu wenig für die Ärzte. Als fatal bezeichnete KBV-Chef Dr. Andreas Köhler das Ergebnis der Honorarverhandlungen: "Eine Erhöhung des Orientierungswertes um niedrige 0,9 Prozent ist mit uns nicht zu machen. Seit 2008 haben die niedergelassenen Ärzte keinen Inflationsausgleich und keinen Ausgleich für gestiegene Praxiskosten erhalten. Wer solche Signale aussendet, braucht sich nicht zu wundern, wenn der medizinische Nachwuchs ausbleibt und keine Nachfolger für Landarztpraxen zu finden sind", heißt es in einer Mitteilung.

Verständnis kam aus der Politik. "Ich verstehe den Unmut der Ärzte angesichts des eher mageren Ergebnisses", sagte Jens Spahn der "Ärzte Zeitung".

Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion griff den GKV-Spitzenverband an: "Die Rhetorik und Kampagne der Krankenkassen im Vorfeld und während der Verhandlungen ist inakzeptabel. Das vergiftet dauerhaft das Klima zwischen Ärzten und Kassen. So führt sich Selbstverwaltung zum Schaden der Patienten ad absurdum."

"Erbärmliche Episode"

Als "Affront gegenüber der ärztlichen Leistungsbereitschaft", wertete der Vorsitzende des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt, das Verhandlungsergebnis in einer Mitteilung.

"Die Anpassung liegt deutlich unter dem überfälligen Inflationsausgleich und ist nicht mehr als eine weitere erbärmliche Episode im verbissenen Kampf der Kassen gegen all jene, die ihre Versicherten angemessen medizinisch versorgen wollen", so Reinhardt.

Das Ergebnis sei für die niedergelassenen Internisten völlig unzureichend, sagte der zweite stellvertretende Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Internisten (BDI), Dr. Hans-Friedrich Spies. Schon heute erbrächten zahlreiche Internisten unbezahlt Leistungen über das Regelvolumen hinaus.

Der BDI sei der Auffassung, dass man ernsthaft darüber nachdenken müsse, die Leistung nach dem Honorar auszurichten. „Das bedeutet, dass man sich an das Regelleistungsvolumen hält und Leistungen, die nicht bezahlt werden, nicht mehr erbringt“, sagte Spies im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“.

Die Deutsche Psychotherapeutenvereinigung (DPtV) zeigte sich empört über das Verhandlungsergebnis. Für die Psychologischen Psychotherapeuten bedeutete es eine minimale Erhöhung von 73 Cent pro Sitzung, kritisierte Dieter Best, DptV-Bundesvorsitzender. Und das obwohl die Psychotherapeuten bereits jetzt am unteren Ende der vertragsärztlichen Einkommensskala lägen.

"Eine Nullrunde", kommentierte Dr. Dirk Heinrich die Nachricht unmittelbar nach dem Beschluss im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung". Dieser Wert bedeute, dass Ärzte die Inflation, die steigenden Gehälter ihrer Angestellten und die Betriebskosten aus der Substanz bezahlen müssten.

"Längere Wartezeiten sind die logische Folge", sagte der Vorsitzende des NAV-Virchow-Bundes. So könne es sein, dass es für Arzthelferinnen in Mutterschutz keine Vertretungen mehr gebe.

Der Spruch sei ein fatales Signal an niederlassungswillige junge Mediziner. "Wer lässt sich denn auf ein Minusgeschäft ein?", warnte Heinrich vor Versorgungsengpässen.

Endgültig ist das bislang kommunizierte Ergebnis möglicherweise noch nicht. Am kommenden Montag tritt der Erweiterte Bewertungsausschuss noch einmal zusammen. Bis dahin bestehe die Möglichkeit, das Verhandlungsergebnis zu korrigieren, sagte Heinrich.

Sonder-Vertreterversammlung am Samstag

Ungeachtet dessen bereiten sich die Ärzte auf Proteste vor. Von bundesweiten Aktionstagen solle Druck auf die Honorarverhandlungen in den Regionen ausgeübt werden.

Die Rede ist von urlaubsbedingten Praxisschließungen oder gemeinsamen Fortbildungsveranstaltungen, die zu geschlossenen Praxen führen könnten.

Bereits im Vorfeld der Verhandlungen hatte sich bei den Ärzten ein erhebliches Protestpotenzial aufgebaut. Jetzt haben sich Unzufriedenheit und Enttäuschung noch verstärkt.

"Wir werden gemeinsam mit den Verbänden und allen teilnehmenden Ärzten am kommenden Samstag im Rahmen unserer Sonder-Vertreterversammlung ein deutlich wahrnehmbares Zeichen setzen, was wir von dieser Entscheidung halten und dass sich die Ärzteschaft so nicht behandeln lassen kann", kündigte Köhler an.

Vor dem Ruf nach der Politik hat Barmer GEK-Chef Dr. Christoph Straub gewarnt. Um die Lösung in den Honorarverhandlungen müsse die Selbstverwaltung ringen. Es dürfe keine „politische Dekretion“ geben. Der von diesem Ringen ausgehende "Lärm" klingt in Straubs Ohren eher beruhigend: "Der Lärm ist ein zwingendes Charakteristikum einer korporatistischen Entscheidungsfindung", sagte Straub am Donnerstag in Berlin.

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