Neue Morbi-Ziffer

Zuschlag bringt böse Überraschung

Was ist eine kontinuierliche ärztliche Betreuung? Die Antwort auf diese Frage hat der Bewertungsausschuss für den neuen Chroniker-Zuschlag formuliert. Das hat Folgen für den Praxisumsatz.

Von Heinz Welling Veröffentlicht:
Schon bei einem Kontakt kann der Morbi-Zuschlag angesetzt werden.

Schon bei einem Kontakt kann der Morbi-Zuschlag angesetzt werden.

© Klaus Rose

KÖLN. Vor die Abrechnung der neuen Chroniker-Zuschläge hat der Bewertungsausschuss eine höhere Hürde gesetzt als bisher.

Die Ansetzbarkeit der Ziffern für den erhöhten Behandlungsbedarf chronisch kranker Patienten (Chronikerziffern ab 1. Oktober: 03220 und 03221) wird deutlich verschärft.

Die Voraussetzungen, die vom Bewertungsausschuss Ende Juni festgesetzt wurden, sind nun folgende: Chronikerpauschalen sind nur bei berechnungsfähig bei

  • mindestens einer lang andauernden, lebensverändernden Erkrankung
  • Notwendigkeit einer kontinuierlichen ärztlichen Behandlung und Betreuung

Diese Voraussetzungen gab es auch bisher schon. Neu ist aber, dass die Notwendigkeit sich auch in einer tatsächlichen kontinuierlichen ärztlichen Behandlung ausdrückt.

Das heißt, der Patient muss in der Praxis wegen der chronischen Erkrankung in den vier Quartalen zuvor regelmäßig gewesen sein (mindestens 1 Kontakt je Quartal in mindestens 3 Quartalen, siehe nebenstehende Spalte).

Enorme Mehrbelastung fürs Team

Das hat Konsequenzen für die tägliche Arbeit. Insbesondere die erforderliche Kontakthäufigkeit wird viele Praxen in Bedrängnis bringen.

Es ist also notwendig, vor der Ansetzung einer der beiden neuen Chonikerziffern zu prüfen, ob mindestens in drei der vier letzten Quartale der Patient tatsächlich in der Praxis war. Dies bedeutet eine enorme organisatorische Mehrbelastung für Arzt und/oder Team.

Und wie neue Daten, die HCC BetterCare in Praxen erhoben hat, zeigen, trifft das nur in 60 Prozent der Behandlungsfälle zu (siehe Kopf der Seite).

Eine weitere Herausforderung ist, dass vier Quartale der Behandlung zu dokumentieren sind, auch dann, wenn der Patient den Hausarzt gewechselt hat (siehe Spalte links). Hier ist die Praxis gefordert, eine noch zu findende Dokumentationsziffer einzusetzen.

Der behandelnde Arzt ist also gefordert, sich von seinem Patienten die Behandlung in diesen Quartalen zumindest mündlich bestätigen zu lassen, was Arztgespräche mit chronisch kranken Patienten noch weiter in die Länge ziehen könnte.

Vielleicht ist auch deshalb im neuen EBM wieder eine Gesprächsziffer vorgesehen. Nun kann die KV also die Betreuungsziffern löschen, wenn die Abrechnungsregeln nicht eingehalten werden bzw. wenn keine Dokumentation der Erkrankung per ICD 10 Kodierung angegeben wurde, und das wird sie sehr wahrscheinlich dann auch tun.

4480 statt 8750 Euro?

Die finanziellen Folgen davon kann man an einem einfachen Rechenbeispiel herausfinden:

Hat eine Praxis früher 500 Chronikerfälle mit je 17,50 Euro vergütet bekommen, hat sie ohne Abstaffelung 8750 Euro erlöst.

Ab Oktober bringen die Ziffern nur noch 14 Euro Ertrag im Durchschnitt (Leistung mit einem oder zwei Kontakten), und die Ziffer wird wahrscheinlich nur noch in 64 Prozent der Fälle abzurechnen sein, also 320 x 14 Euro, also 4480 Euro.

Der Nettoverlust liegt also bei fast 50 Prozent bei der Behandlung chronisch kranker Patienten, und das wird insbesondere die großen Versorgerpraxen treffen, die sehr viele dieser Patienten behandeln.

Wichtig ist ein genaues Controlling, inwieweit die anderen neuen Leistungen die Verluste ausgleichen können.

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