Blickpunkt Schweiz

Der Ruf nach Stärkung der Hausarztmedizin wird lauter

In wenigen Jahren gehen viele Schweizer Hausärzte in den Ruhestand. Nachfolger für die Praxen sind aber auch im Nachbarland schwer zu finden. Ein Netzwerk von jungen Hausärzten will nun mit Hilfe einer Volksinitiative die Rahmenbedingungen für die niedergelassenen Ärzte verbessern.

Von Sabine Schiner Veröffentlicht:
Wenn es um eine bessere medizinische Versorgung in der Schweiz geht, stoßen junge Hausärzte und eine Volksinitiative ins gleiche Horn.

Wenn es um eine bessere medizinische Versorgung in der Schweiz geht, stoßen junge Hausärzte und eine Volksinitiative ins gleiche Horn.

© dusko / fotolia.com

BERN. Lange Arbeitszeiten, vergleichsweise wenig Verdienst, mangelhafte Aus- und Weiterbildung: Diese Arbeitsbedingungen wollen angehende Hausärzte in der Schweiz nicht mehr hinnehmen. Sie haben ein Netzwerk gegründet, das sich um die Belange junger Ärzte kümmert und versucht, den Beruf des Hausarztes wieder attraktiver zu machen.

Im Durchschnitt sind Hausärzte in der Schweiz derzeit 57 Jahre alt. Bis 2016 geht die Hälfte von ihnen in Pension. Doch immer weniger Ärzte sind bereit, sich als Hausarzt niederzulassen. Die Organisation der Jungen Hausärztinnen und Hausärzte in der Schweiz (JHaS) versucht dies zu ändern.

Co-Präsident Sven Streit ist seit einigen Jahren berufspolitisch engagiert. Sein Idealbild einer Hausarztpraxis ist nicht eine Einzel- sondern eine Gruppenpraxis, die sich aus Kollegen anderer Fachbereiche wie Pädiater, Psychiater, Chirurgen und Physiotherapeuten zusammensetzt - und die mit wenig Administration auskommt.

"Außer den Hausärzten weiß wohl niemand, wie viel in den Praxen an Berichten, Zeugnissen, Beurteilungen und anderen Dingen gefordert werden."

Initiative: Hausarztmedizin soll in die Verfassung

Streit kennt die Bürokratie: Der 30-Jährige Assistenzarzt absolviert gerade seine Weiterbildung zum Hausarzt in einer Berner Praxis. "Seit sechs Monaten arbeite ich dort und lerne den Alltag und die Schönheiten dieses Berufes kennen", erzählt er.

Zeitweise vertritt er seinen Chef und ist dann auch alleine für die Praxis verantwortlich: "Die Unsicherheit bei manchen Fällen bleibt, aber ich lerne täglich besser, diese auszuhalten und nicht durch Zusatzdiagnostik zu beruhigen." Nach dem Ende der Praxiszeit in zwei Monaten wird er ans Zentrumsspital in Bern gehen, um dort auf der Station der Allgemeinen Inneren Medizin zu arbeiten.

Die Anforderungen an Hausärzte sind auch in der Schweiz hoch: Nach einer Umfrage des Netzwerks JHaS verlangen Patienten von ihren Hausärzten, dass sie möglichst rund um die Uhr verfügbar sind, kompetent sind und qualitativ hochwertige Leistungen kostengünstig anbieten.

Ohne Unterstützung ist das nicht möglich. Streit und seine Kollegen bei der JHaS befürworten daher die Volksinitiative "Ja zur Hausarztmedizin". "Sie ist das beste Instrument, um die Hausarztmedizin attraktiver zu machen", betont er. Das Hauptanliegen der Initiative ist die Verankerung der Hausarztmedizin in der Verfassung.

Es braucht ein arztfreundliches Tarifsystem

Um stabile Rahmenbedingungen für Hausärzte zu schaffen, fordert die Initiative unter anderem universitäre Institute für Hausarztmedizin und den Ausbau der universitären Lehre mit Pflichtmodulen in Hausarztmedizin. Weitere Forderungen sind ein hausarztfreundliches Tarifsystem sowie eine Berufsausübung ohne NC und Zulassungsstopp.

Bund und Kantone sollen zudem für die flächendeckende Sicherung der Hausarztmedizin in der ganzen Schweiz zuständig sein und Anreize schaffen, um Ärzten die Niederlassung auf dem Land zu erleichtern. Die Initiative will sich auch dafür einsetzen, dass Hausärzte in allen gesundheitspolitisch relevanten Kommissionen und Gremien eingebunden werden.

Zusammen mit 25 anderen Hausärzten ist Sven Streit im Komitee der Volksinitiative vertreten. Um Hausarztpraxen zukunftsfähig zu machen, sind seiner Meinung nach Gemeinschaftspraxen oder Praxisverbünde ideal, da sie gemeinsame Notfallpraxen einrichten und auch mit den Krankenhäusern gut zusammenarbeiten können.

Er ist zuversichtlich, dass sich etwas ändert: "Unsere Unterschriftensammlung war ein großer Erfolg: In nur sechs Monaten wurden über 200.000 Unterschriften gesammelt", berichtet er. Derzeit tourt ein Bus durch die Schweiz, um noch mehr Unterstützer zu finden: "Wir jungen Ärzte sind mit dabei."

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