Transplantations-Prozess

Gutachter erhebt schwere Vorwürfe gegen Angeklagten

Der Prozess geht weiter: Die nach der Transplantation am Uniklinikum Göttingen gestorbene Patientin hatte gar keine Leberzirrhose, sagt ein Gutachter aus.

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GÖTTINGEN. Im Prozess um den Transplantationsskandal am Göttinger Universitätsklinikum hat am Donnerstag ein medizinischer Sachverständiger schwere Vorwürfe gegen den Angeklagten erhoben.

Der frühere Leiter der Göttinger Transplantationschirurgie hatte im April 2011 einer 54-jährigen Frau aus Göttingen eine Spenderleber eingepflanzt.

Die Patientin war knapp zwei Wochen später an Multiorganversagen gestorben. Die Entscheidung zur Lebertransplantation sei nicht nachvollziehbar und medizinisch nicht angezeigt gewesen, sagte der Gastroenterologe und Internist Professor Gerhard Rogler vom Universitätsspital Zürich vor dem Landgericht Göttingen.

Schon die Diagnose sei falsch gewesen. Ursache der erheblichen gesundheitlichen Probleme der Patientin sei nicht die Leber gewesen, sondern eine Bauchspeicheldrüsenentzündung.

Niemand wird stutzig

Die Mediziner des Göttinger Uni-Klinikums hatten die Patientin im Herbst 2009 auf die Warteliste der Stiftung Eurotransplant für eine Spenderleber setzen lassen. Bei der Meldung gaben sie die Diagnose Leberzirrhose an.

Tatsächlich hatten sie diese Diagnose, die andere Ärzte Anfang der 1990er Jahre gestellt hatten, selbst offenbar nie hinreichend verifiziert. Zwar waren bei der Evaluation der Patientin für die Warteliste zahlreiche Untersuchungen vorgenommen worden.

Doch obwohl gleich mehrere Befunde die Diagnose nicht bestätigten, machte dies offenbar niemanden stutzig.

Unter anderem hatte ein Arzt, der eine Stanzbiopsie im rechten Leberlappen zur Gewebeuntersuchung vorgenommen hatte, als Ergebnis vermerkt: "Kein nennenswerter pathologischer Befund".

Auch die Ultraschallaufnahmen seien weit entfernt von dem typischen Erscheinungsbild einer Leberzirrhose gewesen, sagte Rogler. Es sei völlig unverständlich, dass dies niemandem zu denken gegeben habe.

"Irgendjemand hätte diesen Befund ernst nehmen und daraus ableiten müssen, dass eine Transplantation ein Risiko darstellt."

Nach der Transplantation hatte ein Pathologe die entnommene Leber der Patientin untersucht und festgestellt, dass lediglich eine Leberfibrose, aber noch keine Zirrhose bestand.

Angeklagter widerspricht Gutachter

Nach Ansicht des Gutachters war die Transplantation nicht nur eine nicht angezeigte, sondern auch eine zu riskante Behandlung, weil die Patientin an einer Vielzahl von Erkrankungen litt.

Dadurch habe ein deutlich erhöhtes Operationsrisiko bestanden. Stattdessen hätte die Patientin durch konservative Maßnahmen weiter versorgt werden können.

Der Angeklagte machte dagegen geltend, dass die Transplantation die einzige Behandlungsoption gewesen sei. Die Patientin habe wiederholt lebensgefährliche Blutungen gehabt, konservative Therapien hätten versagt.

Nach Ansicht des Gutachters war die Lage jedoch längst nicht so dramatisch. In den Akten gebe es keinen Hinweis darauf, dass es zu lebensbedrohlichen Blutungen gekommen sei.

Im Übrigen hätte sich das Blutungsrisiko durch eine Transplantation nicht beseitigen lassen, weil die Ursache nicht in der Leber gelegen habe. Die Staatsanwaltschaft bewertet den Fall als vorsätzliche Körperverletzung mit Todesfolge. (pid)

Lesen Sie dazu auch: Transplantations-Prozess: Patient war vor Transplantation "topfit"

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