Haftpflichtprämien

Chirurgen forcieren Prophylaxe

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BERLIN. Die Chirurgen wollen angesichts explodierender Haftpflichtprämien "passgenaue Prophylaxe-Instrumente zur Risikominimierung in der Chirurgie" entwickeln, wie die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) mitteilt.

Die Zahlungen für Behandlungsfehler bei operativen Eingriffen seien in den vergangenen Jahren jährlich um sechs Prozent gestiegen. "Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt, sind Op bald nicht mehr versicherbar", prophezeit DGCH-Präsident Professor Joachim Jähne.

Nun wollten laut DGCH Lungenchirurgen gemeinsam mit dem Versicherungsmakler Ecclesia erstmals anhand konkreter Schadensfälle aus der Praxis analysieren, welche Umstände zu Behandlungsfehlern führten.

Zwar ist die Zahl der Behandlungsfehler bei operativen Eingriffen nach Angaben der DGCH über die Jahre relativ konstant geblieben.

"Aber die Schadenssummen pro Fall, die vor Gericht erstritten werden, sind stark gestiegen", berichtet Dr. Christian Kugler, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Thoraxchirurgie (DGT) und Chefarzt der Abteilung für Thoraxchirurgie an der Lungenclinic Großhansdorf. Dies habe zur Explosion der Haftpflichtversicherungsbeiträge für Kliniken beigetragen.

Während deutsche Kliniken 2012 rund 350 Millionen Euro zahlten, um sich gegen Schadenersatzansprüche zu versichern, seien es 2013 bereits 550 Millionen Euro gewesen - eine Steigerung um 60 Prozent. Zugleich hatten sich etliche große Versicherer aus dem Krankenhausgeschäft zurückgezogen.

Behandlungsfehler minimieren

Aufgrund dieser Entwicklung unternähmen Kliniken schon seit einigen Jahren verschiedene Anstrengungen, um Behandlungsfehler zu minimieren. Die Maßnahmen zur Schadenprävention würden meist aus anderen Lebensbereichen wie Luftfahrt oder Leistungssport übernommen, etwa die Kontroll-Checkliste vor der Op oder das Team Time Out, ein Moment des geistigen Innehaltens.

"Aber wir wissen gar nicht, ob diese Maßnahmen tatsächlich die Realität in der Chirurgie abbilden, ob damit die wichtigsten Fehlerquellen erfasst werden", erläutert Kugler. "Gut möglich, dass noch ganz andere Faktoren wie etwa Schlafmangel oder Konzentrationsstörungen eine wichtige Rolle spielen."

Belastbare Antworten soll jetzt, so die DGCH, das Projekt von DGT und Ecclesia liefern. Zu diesem Zweck stelle der Versicherungsmakler umfangreiche Datensätze zur Verfügung - detaillierte Ablaufbeschreibungen von Schadensfällen, die aus Hunderten von Krankenhäusern in den zurückliegenden fünfzehn Jahren stammen.

"Auf Basis dieser Datenbank wollen wir beispielsweise analysieren, ob es bestimmte Operationen oder Operationstechniken gibt, die mit einem hohen Fehlerrisiko belegt sind", hebt Kugler hervor.

Instrumente zur Schadensvorbeugung

Die Projektpartner würden noch weiteren Fragen nachgehen. Darunter, ob es bestimmte Anforderungen an die medizinische Erfahrung gibt, mit denen Risiken gemindert werden können. Oder welches besondere Schadensketten sind und wie sie zustandekommen. Des Weiteren stelle sich die Frage nach optimalen Behandlungswegen.

"Am Ende der Analyse steht die Entwicklung von passgenauen Prophylaxe-Instrumenten zur Schadensvorbeugung", so Kugler.

"Sollte dies gelingen, besteht die Möglichkeit, ein Anforderungsprofil für operativ tätige Fachabteilungen zu entwickeln, unter dem Versicherungsunternehmen wieder bereit sein könnten, die potenziellen Schadensfälle zu versichern." Erste Projektergebnisse sollen in etwa einem halben Jahr vorliegen. (maw)

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