Traumjob MFA

Zwei Männer im Frauenberuf

Der MFA-Beruf gilt als reine Frauendomäne. Doch wer nach Nordhessen fährt, wird eines Besseren belehrt. Dort tummeln sich zwei Gegenbeispiele - ausgezeichnet von der Kammer.

Von Marco Hübner Veröffentlicht:
Keine typischer Frauenjob mehr: MFA Jan nimmt Blut ab.

Keine typischer Frauenjob mehr: MFA Jan nimmt Blut ab.

© Marco Hübner

BAUNATAL. Was der KFZ-Mechatroniker für Frauen, ist der Medizinische Fachangestellte (MFA) für Männer: ein vergleichsweise ungewöhnlicher Ausbildungsberuf.

Von insgesamt 14.379 neuen Auszubildenden waren 2012 nach Statistik des Bundesinstituts für Berufsbildung gerade einmal 1,5 Prozent männlich.

Warum die Geschlechter in diesem Beruf auch heute noch so ungleich verteilt sind, resümiert Heike Rösch vom Verband medizinischer Fachberufe: "In Deutschland gibt es überwiegend immer noch das Ideal des Familienernährers, auch wenn die Anzahl der - teils unfreiwilligen - Familienernährerinnen zunimmt."

Rösch: "Der Blick auf die Tarifgehälter zeigt, dass man damit keine Familie ernähren kann. Frauen suchen sich ihre Berufe nach anderen Gesichtspunkten aus als Männer. Das Gehalt steht dabei nicht an erster Stelle. Jedenfalls noch nicht."

Zwei, die den für ihr Geschlecht ungewöhnlichen Weg wählten, sind der 30-jährige Jan Kasprowicz und der 29-jährige Denis Layda, die in der Abteilung "Gesundheitswesen" der Volkswagen AG in Braunatal arbeiten.

Für ihre guten Ausbildungsergebnisse wurden beide jüngst von der Landesärztekammer Hessen geehrt. Das ist aber nicht das einzig Beachtenswerte an ihnen: beide haben vorher bereits einen medizinischen Eingangsberuf erlernt und die MFA-Ausbildung beim Autobauer zusätzlich absolviert.

MFA-Azubis mit Vorerfahrung

Jan ist gelernter Rettungsassistent und Denis Physiotherapeut. Als zwei von insgesamt elf MFA-Auszubildenden haben sie 2010 mit ihrer Lehre in Baunatal begonnen. Die Ausbildung ermöglicht den beiden ein breiteres Aufgabenspektrum und eine höhere Flexibilität im Betrieb.

"Fällt ein MFA in der Arbeitsmedizin aus, können wir praktischerweise direkt einspringen", erklärt Jan Kasprowicz. Für beide war die Vielseitigkeit die diese Doppelqualifikation bietet, Grund, warum sie sich für den Job entschieden haben.

Neben den typischen Aufgaben aus ihrem jeweils ersten Beruf wie Erste Hilfe, arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen oder Gesundheitscoachings, koordinieren sie heute die Patienten, sind im Labor und arbeiten den Werksärzten zu.

Damit leisten sie im Gesundheitswesen von Volkswagen ihren Beitrag zur Versorgung von circa 16.000 Mitarbeitern. "Bei dieser Menge kommen die acht Werksärzte und 44 nichtärztlichen Mitarbeiter auf durchschnittlich 45.000 Patientenkontakte im Jahr", erzählt Michael Lipphardt, Leiter Arbeits- und Akutmedizin in Baunatal.

Daher sei der Einsatz von erfahrenen Arbeitskräften, die bereits in einem medizinischen Beruf mit Patienten gearbeitet haben, die beste Wahl. Zumal der Arbeitsmarkt sehr gute Kandidaten für solch eine Doppelqualifikation liefere, so Lipphardt weiter.

Im Rettungswagen mit Jan

"Die Notfalleinsätze, die wir im Jahr fahren, liegen so im dreistelligen Bereich. Wobei es sich häufig um krankheitsbedingte Fälle handelt", erzählt Jan, mit Blick auf den Rettungswagen, der einsatzbereit zwischen Gesundheitszentrum und den Werkshallen steht.

Heute seien 70 Prozent der Einsätze auf kardiovaskuläre Probleme und andere Zivilisationskrankheiten zurückzuführen. Nur bei 30 Prozent handele es sich um tatsächliche Arbeitsunfälle.

"Früher war das Verhältnis noch genau umgekehrt", sagt Jan. Auf die Frage hin, wie er die Notfälle verarbeite, die er in seinem Beruf erlebt, blickt Jan nachdenklich in den Raum: "Als ich jünger war, konnte ich erstaunlicherweise besser damit umgehen. Heute braucht es mehr Zeit, bis ich die Bilder verarbeitet habe."

Als er einen weiteren Grund nennt, warum er sich für die Arbeit in der Betriebsmedizin entschieden hat, wird klar, wieso: "Ich habe einen kleinen Sohn. Ganz schlimm war es für mich früher, wenn wir Kinder retten mussten. Ich bin also froh, dass wir hier Arbeitnehmer behandeln."

Denis wirkt den Notfälleinsätzen bei seiner Arbeit im Bereich Gesundheitsförderung und Ergonomie schon im Vorfeld entgegen. Beim Treffen mit der "Ärzte Zeitung" bringt er den Mitarbeitern gerade das individuell richtige Laufen nach Pulsuhr nahe.

"Sport und Gesundheit sind mein Lebensstil, die Mitarbeiter dafür bewusst zu machen oder sie wieder schnell nach einer Krankheit fit zu bekommen macht Spaß", sagt Denis. Diese Arbeit habe schließlich großen Wert, denn ein Ausfalltag koste um die 400 Euro für den Arbeitgeber, fügt er hinzu.

Nicht nur Tarifgehälter motivieren

Gemeinsam sind sich Jan und Denis einig, dass die MFA-Ausbildung ihnen geholfen hat, medizinische Gesamtzusammenhänge noch besser zu verstehen. Als reine Frauendomäne hätten sie die Arbeit in Baunatal nicht erlebt.

Von elf Azubis waren fünf weiblich und sechs männlich - also entgegen den Verhältnissen in den bundesweiten Arztpraxen recht ausgeglichen.

In anderen von Frauen dominierten Berufen wie Pfleger, Sanitäter oder sozialen Tätigkeiten gibt es bereits stärkeren Zuwachs von Männern. Nach Meinung von Michael Lipphardt, könne mehr Geld allein nicht der einzige Anreiz sein, um mehr Männer in den Beruf zu ziehen.

Es müsse stärker über die Tätigkeit und deren Aufgabenfelder an sich gesprochen werden. "Die Einsteiger suchen eine abwechslungsreiche und verantwortungsvolle Tätigkeit. Bis jetzt sind ihre Kompetenzen von den Ärzten gedeckelt. Wenn die MFA beispielsweise mehr Freiräume in der Versorgung bekommen, wird der Beruf auch in Zukunft mehr Männer anziehen", ist Lipphardt überzeugt.

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