Sachsen / Thüringen

Die Schwester von der Kasse hält die Gesundheit im Blick

In Sachsen und Thüringen schickt die AOK Plus Gesundheitsberaterinnen zu multimorbiden Versicherten. Damit will man die Anzahl der Krankenhauseinweisungen verringern.

Von Thomas Trappe Veröffentlicht:
Gesundheitsberaterinnen Yvonne Weiße und Ramona Stützer (v.l.n.r.) helfen Patienten zu Hause, ihre Gesundheit im Blick zu behalten.

Gesundheitsberaterinnen Yvonne Weiße und Ramona Stützer (v.l.n.r.) helfen Patienten zu Hause, ihre Gesundheit im Blick zu behalten.

© Thomas Trappe

LEIPZIG. Yvonne Weiße liebt ihren Beruf, und deshalb hat sie den Job gewechselt. Der 38-Jährigen ist das wichtig: Nein, der Bewerbung bei AOK Plus wohnte damals nicht der Gedanken an Ausstieg inne.

"Ich bin mit Leib und Seele Krankenschwester. Mit den Menschen arbeiten, das lag mir schon immer." Jetzt sitzt Yvonne Weiße zusammen mit ihrer Kollegin Ramona Stützer in der Kantine der Leipziger AOK-Plus-Geschäftsstelle, und sagt, dass es in ihrem neuen Job um nichts anderes geht.

Sie soll die Arbeit der AOK effizienter machen. Die Beraterinnen sind Krankenschwestern, und so arbeiten sie auch. "Mit einem Unterschied: Für das Gespräch haben wir mehr Zeit als Krankenschwestern im Krankenhaus."

Im Januar 2012 startete die AOK Plus in Sachsen und Thüringen das Projekt mit dem Namen "LebensPLUS", zwei Jahre lief die Pilotphase, seit Januar dieses Jahres der reguläre Betrieb. Acht Beraterinnen gibt es in den beiden Freistaaten, jeweils eine für die acht Unterregionen der Kasse.

Das Augenmerk der "Gesundheitsberaterinnen", es sind alles Frauen und bis auf eine alle examinierte Krankenschwestern, richtet sich auf jene Versicherte, deren Krankheitsverläufe auffällig sind, vor allem, wenn es um eine überdurchschnittliche Zahl von Klinikaufenthalten geht.

Die meisten der betreuten Versicherten leiden an Diabetes mellitus Typ-2, chronisch obstruktiver Lungenerkrankung, chronischer Herzinsuffizienz oder einer Kombination dieser Erkrankungen.

Patienten haben die Wahl

Yvonne Weiße ist erst seit einem Jahr dabei, nach mehreren Initiativbewerbungen bekam sie den Job, sie versorgt jetzt die Region Leipzig, mit einem Umkreis von 30 Kilometern. Ihre Kollegin kommt aus Thüringen zum Gespräch, sie ist für die Region Suhl zuständig. "Zum Glück fahre ich gerne Auto", sagt Ramona Stützer, 41 Jahre alt.

Bevor sie zur AOK Plus kam, arbeitete sie als Krankenschwester mit diversen Zusatzqualifikationen, unter anderem im Notdienst. Auch wenn es jetzt um die Arbeit mit meist multimorbiden Patienten gehe, gebe es doch einen elementaren Unterschied zur früheren Tätigkeit.

"Ins Krankenhaus werden die Patienten gebracht, sie haben kaum eine Wahl. Wenn wir als Beraterinnen bei ihnen zu Hause auftauchen, haben sie vorher zugestimmt und wollen sich auch helfen lassen."

Yvonne Weiße spricht von "einem Hoheitsgebiet, das den Versicherten gehört. Das ist eine ganz andere Basis." 95 Prozent der bisher knapp 2000 Versicherten hätten nach dem ersten Termin auch weitere gewünscht, so die Zahlen der AOK.

Die Fälle, in denen die Beraterinnen Versicherten einen Besuch anbieten, sind mannigfaltig. Yvonne Weiße hat derzeit vor allem mit Kindern und deren Eltern zu tun. So habe es einen Jungen gegeben, der überdurchschnittlich häufig ins Krankenhaus gebracht worden sei.

"Das ist etwas, was ein Arzt gar nicht leisten kann"

Der jetzt zweijährige Junge hat Epilepsie, die sehr jungen Eltern waren davon überfordert, wählten 17 Mal im ersten Jahr den Notruf. Für die ganze Familie eine Belastung.

In der Beratung erfuhr sie, wie sie mit einem epileptischen Anfall umgehen muss und dass Panik nicht helfe.

Dieses Jahr hat sich die Zahl der Krankenhauseinlieferungen auf bislang zwei reduziert. Oft gehe es auch um ältere Patienten, die ihre eigene Gesundheit aus den Augen verlören und dann zu Notfällen würden, gerne auch Versicherte, die selbst Angehörige pflegten. In solchen Fällen sorgen die Gesundheitsberaterinnen zum Beispiel dafür, dass ein Pflegedienst bezahlt wird.

Jeder Fall ist anders, und meist geht es darum, mit medizinischem Fachwissen sämtliche Facetten eines Patienten zu erfassen. Es ist der klassische Job einer Krankenschwester.

"Wir stehen im Kontakt mit der Kasse, mit Ärzten, mit Apothekern und auch mit Angehörigen", sagt Ramona Stützer. "Das ist etwas, was ein Arzt gar nicht leisten kann - und eine Krankenkasse in der Regel auch nicht."

Rund eineinhalb Stunden dauere meist das erste Beratungsgespräch, sagt sie, rund ein halbes Jahr eine abgeschlossene Betreuung. "Wir machen den Leuten nicht vor, dass wir ihre Grunderkrankung wegbekommen. Aber wir zeigen ihnen, wie sie trotzdem ein gutes Leben führen können."

Kampf gegen Unterversorgung

Feste Vorgaben für ein Beratungsgespräch gebe es nicht. "Die Leute erzählen uns ihre Krankengeschichte. Wir ordnen sie medizinisch ein", fasst es Yvonne Weiße zusammen. Wie die Probleme des Versicherten angegangen werden, hänge dann von der konkreten Situation vor Ort ab.

Ramona Stützer beispielsweise kämpft in Suhl mit einer extremen Unterversorgung an Augenärzten - und muss dann oft schauen, wie sie Patienten an eine Praxis vermittelt. "Wir müssen wahnsinnig breit aufgestellt sein. Und das sind wir als Krankenschwestern."

Dass es bei dem Projekt um Effizienz geht, formuliert die AOK Plus deutlich. Ob es letztlich aber Kosten senkt, so Sprecherin Hannelore Strobel, "liefe auf eine Milchmädchenrechnung hinaus".

Zwar gehe es darum, Krankenhausaufenthalte zu reduzieren, "aber es wird ja auch Geld für zusätzliche Leistungen in die Hand genommen, beispielsweise Reha-Maßnahmen".

Auf jeden Fall solle die Gesundheitsberatung fortgesetzt werden. "Wir könnten ohne weiteres doppelt so viele Beraterinnen einsetzen. Die Nachfrage ist jedenfalls da."

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