Weiterbildung

Brückenschlag zur Hausarztpraxis

Der Wechsel von der Klinik in den Alltag als Hausarzt bereitet Jungmedizinern oft Bauchschmerzen. Praxischefs können als Weiterbilder den Übergang durch ein paar Kniffe erleichtern.

Von Marco Hübner Veröffentlicht:

FRANKFURT/MAIN. Ärzte in Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin sind oft unsicher beim Sprung von der Klinik in den Praxisalltag. Besonders der enge Kontakt zu den Patienten bereitet vielen Angst.

Damit jungen Kollegen die Landung gelingt, sollten weiterbildungsermächtigte Praxischefs vor allem zwei Dinge gewährleisten: Genügend Freiraum einerseits, aber auch den nötigen Rückhalt des Praxischefs beim Lernen, damit der vertrauensvolle Umgang mit den Patienten klappt.

In der Praxis brauchen Weiterbildungsassistenten als Erstes Raum zum Ankommen, erklärte Christian Sommerbrodt, Hausarzt in Wiesbaden, auf dem 6. Tag der Allgemeinmedizin an der Uniklinik in Frankfurt am Main. Dazu gehöre auch ein eigenes Behandlungszimmer, in dem der junge Kollege selbst Patienten empfangen kann.

Die sollten zu Beginn allerdings noch nicht zu zahlreich sein, so Sommerbrodt. Etwa zwei Patienten pro Stunde seien in den ersten Wochen genug. Denn durch das intensivere Kümmern könnten sich so auch die Patienten schneller an den neuen Arzt gewöhnen.

Wichtig dabei ist, dass der Praxischef immer wieder auf dem kurzen Weg für Rückfragen erreichbar ist und sich über die Schulter schauen lässt. Davon gewinnen beide, ist Sommerbrodt überzeugt: "Oft stellen die Assistenten pfiffige Fragen zu den Patienten, die der Routinier selbst nicht im Fokus hatte." Der Weiterbildungsassistent könne sich indes schrittweise auf die ambulante Arbeit mit den Patienten einstellen.

Jungärzte wüssten oftmals nicht oder nur vom Hörensagen, wie der Arbeitsalltag eines Hausarztes genau aussieht. Insgesamt 60 Monate verbringen Ärzte auf dem Weg zum Facharzt für Allgemeinmedizin in Weiterbildung. Davon arbeiten sie zunächst 36 Monate im stationären Bereich, bevor es in die hausärztliche Versorgung geht.

Die Vorerfahrung mit Krankheitsbildern und Abläufen im Krankenhaus sei wichtig, führe jedoch auch zu Hürden beim Wechsel in die Praxis, bemerkte Sommerbrodt.

In der Klinik leisten die angehenden Allgemeinmediziner Akkordarbeit und versorgen vorwiegend schwere Erkrankungen. Dabei lässt die in der Regel kurze Verweildauer der Patienten in der Klinik wenig Raum für eine engere Arzt-Patienten-Beziehung.

Die Person hinter der Krankheit bleibt für gewöhnlich im Dunkeln. In der Hausarztpraxis stehen Person und Kommunikation hingegen im Mittelpunkt. Bis sich der Jungarzt darauf eingestellt hat, brauche es daher eine gewisse Zeit.

"Etwa ein Jahr vergeht erfahrungsgemäß, bis das Eis zwischen Patienten und dem Arzt in Weiterbildung gebrochen ist", berichtete Sommerbrodt, der bereits mehrere Ärzte in seiner Praxis weitergebildet hat. Als "Neuer" in der Praxis brauche der Weiterbildungsassistent zu Beginn immer das Vertrauen der Patienten.

Die seien aber zunächst skeptisch und wollen sich lieber nicht vom "Studenten" behandeln lassen. Dagegen helfe am besten Zeit, Gründlichkeit in der Behandlung und ein nicht unerheblicher Anteil psychologisches Geschick.

"Der schwierige Patient ist unser täglich Brot", berichtete Jutta Willert-Jacob, Hausärztin in Haiger. Im Gegensatz zur Klinik beinhalte die Arbeit als niedergelassener Allgemeinmediziner viel Psychologie. Der Patient trage nicht allein die Krankheit in die Praxis, sondern auch seine Emotionen und Familiengeschichten.

Wer das nicht beachte, könne Informationen verpassen, die für den Therapieerfolg nicht selten entscheidend seien, oder gar Patienten verlieren. Das Wissen aus den 80 Stunden Psychosomatische Grundversorgung in der Ausbildung sei für den Hausarzt daher Gold wert, betonte Willert-Jacob.

Der ökonomische Teil der Arbeit in einer Arztpraxis sollte erst gegen Ende der Weiterbildung eine größere Rolle spielen. In den ersten Monaten müsse sich der junge Arzt ganz auf die Patienten konzentrieren können. Etwa zwölf Monate vor Ende der Weiterbildungszeit, rät Sommerbrodt, den jungen Kollegen tief in die Welt der Richtlinien, Arzt-Formulare und Abrechnung mitzunehmen.

Schließlich stehe der Jungarzt dann kurz vor der Entscheidung, ob er selbst eine Praxis gründen, übernehmen oder doch als angestellter Arzt arbeiten will.Weiterbildende Ärzte, die ihre eigene Praxis abgeben möchten, können ihre Chancen bei Jungärzten mit den richtigen Maßnahmen deutlich verbessern.

Besonders hoch in der Gunst potenzieller Nachfolger stehe heute eine gute Work-Life-Balance, sagte Sommerbrodt. Hier können Praxen spürbare Vorteile gegenüber den Kliniken liefern. 24-Stunden-Arbeit und Nachtschichten wie im Krankenhaus blieben den Ärzten in der Praxis beispielsweise erspart. Konkret bedeute dies für Praxischefs, familienfreundliche Arbeitsstrukturen einzurichten.

Das könne beispielsweise durch die Integration in Netze und Kooperationen gelingen, wodurch sich die Arbeit besser aufteilen lasse.Junge Ärzte setzen nämlich auch im ambulanten Bereich mehr denn je auf Teamarbeit und Vernetzung. Einzelpraxen locken weniger als Gemeinschaftspraxen, in denen sich auch häufig in Teilzeit arbeiten ließe.

Nicht zuletzt sollten Praxischefs auch einen Breitband-Internetanschluss bereitstellen, für schnelle Recherchen im Internet - zum Beispiel nach Behandlungsleitlinien. Das sind die Jungmediziner bereits aus dem Klinikalltag gewohnt.

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