Gesundes Arbeiten

EU forciert Kampf gegen Karzinogene

Die EU-Kommission will Beschäftigte besser vor arbeitsbedingten Krebserkrankungen schützen. Betriebs- und Arbeitsmediziner begrüßen den Vorstoß, pochen aber auf ihre Einbeziehung vor Ort.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Schutz am Arbeitsplatz: Besteht eine Gefahr durch kanzerogene Exposition?

Schutz am Arbeitsplatz: Besteht eine Gefahr durch kanzerogene Exposition?

© industrieblick / fotolia.com

BRÜSSEL. Arbeitnehmer in der EU sollen nach dem Willen der Europäischen Kommission noch besser vor arbeitsbedingten Krebserkrankungen geschützt, vor allem kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) bei ihren Bemühungen zur Einhaltung des bestehenden Rechtsrahmens unterstützt sowie die Bürokratie entschlackt werden. Die Kommission hat dazu vor Kurzem Maßnahmen zur Förderung des Arbeitsschutzes in der EU verabschiedet.

Ein integraler Bestandteil ist die Festlegung von Arbeitsplatzgrenzwerten oder anderer Maßnahmen für weitere sieben krebserregende chemische Stoffe.

Drei EU-Direktiven werden ergänzt

Möglich werden soll dies durch die sukzessive Ergänzung der EU-Direktiven über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Karzinogene oder Mutagene bei der Arbeit (2004/37), zum Schutz von Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch chemische Arbeitsstoffe bei der Arbeit (98/24) sowie über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Asbest am Arbeitsplatz (2009/148). Konkret gehe es um Substanzen wie zum Beispiel Formaldehyd, Beryllium, Cadmium, hexavalentes Chrom oder Nickel. Entsprechende Vorschläge solle die EU-Kommission in der ersten Jahreshälfte 2018 präsentieren.

Die neue Initiative der Kommission baut nach eigenen Angaben auf den bisherigen Arbeiten in diesem Bereich auf. Denn Investitionen in den Arbeitsschutz verbesserten das Leben der Menschen, da damit Unfälle und arbeitsbedingte Erkrankungen vermieden werden können. Die für Beschäftigung, Soziales, Qualifikationen und Arbeitskräftemobilität zuständige Kommissarin Marianne Thyssen erklärte dazu, die Kommission komme der "Verpflichtung zur Bekämpfung arbeitsbedingter Krebserkrankungen nach". Durch die Maßnahmen der Kommission würden etwa vier Millionen Arbeitnehmer in Europa besser geschützt. "Wir arbeiten mit den Mitgliedstaaten und den Interessenträgern zusammen, um ein gesundes und sicheres Arbeitsumfeld für alle zu schaffen", so Thyssen.

Grenzwertbestimmungen mit Tücken

Der Vorstoß der EU-Kommission trifft beim Verband der Deutschen Betriebs- und Werksärzte (VDBW) generell auf Zustimmung, wie Vizepräsidentin Dr. Anette Wahl-Wachendorf auf Nachfrage der "Ärzte Zeitung" sagte. "Ausdrücklich befürworten wir die vorgeschlagenen Maßnahmen insbesondere vor dem Hintergrund des weiterhin bestehenden Defizits des Arbeitsschutzes vor allem in den KMU in Deutschland", so Wahl-Wachendorf .

Der VDBW fordere aber an dieser Stelle den Bezug zur Praxis und weniger die isolierte wissenschaftliche Betrachtung, ergänzt sie. "Der Stand der wissenschaftlichen Arbeitsmedizin kann nur mit Unterstützung und Einbeziehung der Anwender in den Betrieben sinnvolle und zeitnahe Lösungen anbieten. Die Vergangenheit hat gezeigt wie schwierig Grenzwertbestimmungen sich gestalten und in welchem geringen Umfang das gelingt", mahnt Wahl-Wachendorf.

Weniger tödliche Arbeitsunfälle

Die EU-Kommission gibt sich derweil optimistischer in puncto Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz. Wie sie hinweist, sei vor 25 Jahren die erste EU-Richtlinie in diesem Bereich angenommen worden. Seitdem habe die EU mit hohen Standards beim Schutz der Arbeitnehmer vor Gesundheits- und Sicherheitsrisiken am Arbeitsplatz stets eine Vorreiterrolle gespielt. Seit 2008 sei die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle um nahezu ein Viertel zurückgegangen, und der Anteil der Arbeitnehmer in der EU mit mindestens einem gesundheitlichen Problem, das durch ihre Arbeit verursacht oder verschlimmert wurde, sei um fast zehn Prozent gesunken.

Dennoch gibt es, so die Kommission, weiterhin große Herausforderungen: Schätzungsweise 160.000 Menschen stürben in Europa jedes Jahr an arbeitsbedingten Krankheiten. Es gehöre zu den obersten Prioritäten, die hohen europäischen Standards zu wahren und zu aktualisieren und so die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz zu gewährleisten.

Die Defizite, die sich bei den KMU bei der Umsetzung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes offenbaren, hat auch die EU auf dem Schirm. Untersuchungen zeigten, dass mehr als 30 Prozent der Kleinstunternehmen keine Bewertung der Risiken am Arbeitsplatz durchführen. Deshalb habe die Kommission für Arbeitgeber einen Leitfaden mit praktischen Tipps veröffentlicht, die die Risikobewertung erleichtern und effizienter machen sollen.

Er enthält Ratschläge zum Umgang mit rasch zunehmenden Risiken für den Arbeitsschutz, wie etwa psychosoziale, ergonomische und altersbedingte Risiken. Zudem soll die Verfügbarkeit kostenloser Online-Tools verbessert werden, die Klein- und Kleinstunternehmen bei der Durchführung von Risikobewertungen helfen.

Mehr zum Thema

Interview zur Morbiditätsentwicklung

Medizinsoziologe: „Die Gesundheit im mittleren Alter nimmt ab“

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Ergänzung herkömmlicher Modelle

Kalziumscore verbessert Vorhersage stenotischer Koronarien

Lesetipps
Der papierene Organspendeausweis soll bald der Vergangenheit angehören. Denn noch im März geht das Online-Organspende-Register an den Start.

© Alexander Raths / Stock.adobe.com

Online-Organspende-Register startet

Wie Kollegen die Organspende-Beratung in den Praxisalltag integrieren