Schwachstelle Diskretion

Mehr Datenschutz in der Praxis mit einfachen Mitteln

Befragungen zeigen: Immer mehr Patienten kehren einer Praxis den Rücken, wenn diese locker mit dem Datenschutz umgeht. Die "Ärzte Zeitung" gibt Tipps, wie Ärzte Abhilfe schaffen können.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Immer weniger Patienten nehmen es hin, wenn Ärzte laut in der Praxis über ihren Fall reden.

Immer weniger Patienten nehmen es hin, wenn Ärzte laut in der Praxis über ihren Fall reden.

© Stefan Redel / Fotolia

KÖLN. Mangelnde Diskretion ist nach wie vor eine der großen Schwachstellen in den Praxen von Haus- und Fachärzten. Die Patienten sind aber immer weniger bereit, das klaglos hinzunehmen.

"Die Diskretion hat sich als Qualitäts-Kriterium für die Bewertung als gute Arztpraxis herauskristallisiert", sagt der Leiter des Instituts für betriebswirtschaftliche Analysen, Beratung und Strategie-Entwicklung (IFABS) Klaus-Dieter Thill.

Belege für das Fehlen von Diskretion gibt es nach seiner Erfahrung zahlreiche: Die Ärzte geben medizinische Kurz-Beratungen auf dem Gang, Medizinische Fachangestellte (MFA) sprechen mit Patienten am Empfang über ihre Erkrankungen und achten nicht darauf, dass wartende Besucher mithören können, oder die Praxisräume besitzen nur einen geringen Schallschutz, so dass Patienten Krankengeschichten, Diagnosen und Therapie-Empfehlungen aus dem Nebenzimmer mitbekommen.

Häufig hängen die Mängel mit den baulichen Gegebenheiten in den Praxen zusammen, weiß Thill. Zum Teil haben die Praxen kleiner angefangen, bei einem Anwachsen des Patientenstamms wurden die Räumlichkeiten aber nicht vergrößert. "Manchmal haben die Architekten nicht richtig beraten, oder es gab gar keine Beratung", weiß er.

Haus- und Fachärzte sind betroffen

Dem IFABS liegen Daten von mehr als 10.000 niedergelassenen Ärzten vor. Nach einer Auswertung hat sich die Zufriedenheit der Patienten mit der Diskretion im Umgang mit Patientendaten in den vergangenen Jahren verschlechtert.

Bei Patienten-Zufriedenheitsbefragungen erzielte der Aspekt im Jahr 2014 einen Wert von 24 Prozent bei möglichen 100 Prozent. Aktuell sind es nur noch 19 Prozent, berichtet Thill.

Bei den Freitextangaben in Fragebögen fanden sich 2014 in 41,6 Prozent der Fragebögen Beschwerden über die fehlende oder nachzubessernde Vertraulichkeit. Inzwischen ist das bereits bei 58 Prozent der Fall. Unterschiede zwischen den Praxen von Haus- und von Fachärzten konnte das Institut nicht feststellen.

Patienten sind kritischer geworden

Die immer wieder formulierte Kritik an den Verstößen gegen die Diskretion in Arztpraxen hat nicht zu Veränderungen in den Praxen geführt, kritisiert der IFABS-Leiter. Auf das häufig gehörte Argument, es gehe einfach nicht anders, sollten sich Ärzte und MFA nicht zurückziehen. "Die Anforderungen der Patienten haben sich geändert", betont er.

Die Patienten führen nicht mehr nur emotionale oder persönliche Gründe für das Unbehagen mit der mangelnden Diskretion an, sondern verweisen vermehrt auf den Datenschutz. "Die Patienten fordern ihn nicht nur im elektronischen Umfeld ein, sondern auch im analogen Umgang mit ihren Daten in der Praxis."

Wer im Wartezimmer sitzt, möchte nicht mitbekommen, was über andere Patienten gesagt wird, betont Thill. "Dann weiß man nämlich, dass die anderen mitbekommen, was mit einem selbst los ist."

Die Vertraulichkeit lässt sich auch in kleineren Praxen durch einfache Mittel wie die Einrichtung einer Diskretionszone am Empfang erhöhen oder durch ein Schild mit der Bitte, die Tür zum Wartezimmer immer zu verschließen. Auch Maßnahmen wie das Aufstellen von Pflanzen oder einer Pinnwand können helfen, die Geräusche zu filtern.

Hilfreicher Selbstversuch

Generelle Regeln gibt es für diesen Bereich nicht, sagt der Praxisberater. "Oft kann es schon helfen, wenn sich der Arzt selbst ins Wartezimmer setzt und prüft, was er von Telefon- oder sonstigen Gesprächen hören kann."

Ein solcher Selbstversuch erhöhe die Sensibilität für das Problem. Nach der Erfahrung von Thill ist den MFA das Thema Diskretion häufig präsenter als den Ärzten. "In Mitarbeiterbefragungen äußern sie Verbesserungsvorschläge, stoßen damit aber häufig auf taube Ohren."

Die Praxisinhaber tun gut daran, sich um eine Verbesserung der Situation zu bemühen, betont er. Nach dem Bundesdatenschutzgesetz sind Ärzte verpflichtet, sowohl technische als auch organisatorische Maßnahmen zu treffen, um den Schutz von personenbezogenen Daten sicherzustellen.

Thill: "Außerdem beeinflusst die Wahrung der Privatsphäre als Leistungsmerkmal einer guten Arztpraxis immer mehr den Erfolg von Patientenbindung und -gewinnung, und ist also auch ein Marketing-Instrument."

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