E-Health

Patientenportale mit Nebenwirkungen

E-Akte und Patientenportale helfen, die Kommunikationswege mit den Patienten zu verkürzen. Sie bergen aber auch erhebliche Risiken, wie eine Studie zeigt.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Noch schnell die eigenen Gesundheitswerte screenen: Mit wie vielen Infos darf man die Patienten alleine lassen?

Noch schnell die eigenen Gesundheitswerte screenen: Mit wie vielen Infos darf man die Patienten alleine lassen?

© ysbrandcosijn / fotolia.com

NEU-ISENBURG. Mit dem E-Health-Gesetz soll in Deutschland endlich eine sektorübergreifende Patientenakte etabliert werden. Und zwar eine, über die auch die Patienten Zugriff auf Gesundheitsdaten haben sollen und eigene Werte bereitstellen können.

Starttermin ist 2019. Dass so eine Akte - vor allem der Teil, der die Patienten aktiv einbezieht - kein Selbstläufer ist und mehr als eines bloßen Paragrafen in einem Gesetz bedarf, zeigt eine Studie aus den USA.

In den Vereinigten Staaten müssen Leistungserbringer - insbesondere Gesundheitszentren und Kliniken - seit 2015 über ein Patientenportal mit ihren Patienten kommunizieren.

Mindestens fünf Prozent der Patienten müssen Zugang zu einem solchen Portal erhalten, sonst gibt es Abzüge bei der Vergütung.

Die Pflicht zur elektronischen Patientenakte samt Patientenportal geht auf das HITECH-Gesetz (Health Information Technology for Economic and Clinical Health Act) aus dem Jahr 2009 zurück.

Da es bislang jedoch keine Auswertungen zu der Frage gab, ob solche Portale überhaupt einen Mehrwert bringen, haben US-Forscher noch vor Beginn der Portal-Pflicht eine qualitative Studie aufgelegt (J Med Internet Res 2016, 18(1):e8) - und dies in Kliniken und Praxen, die überwiegend Patienten mit niedrigeren Einkommen betreuen.

An der qualitativen Umfrage zwischen Oktober 2013 und Juni 2014 beteiligten sich 20 Teilnehmer aus Gesundheitszentren und Kliniken in vier unterschiedlichen Bezirken in Nord Carolina - überwiegend Ärzte und Krankenschwestern, aber auch IT-Verantwortliche.

Dabei sahen die Teilnehmer durchaus einen Nutzen in den Patientenportalen, es überwog jedoch die Sorge um die auftretenden Probleme und Nachteile.

Weniger Zeit für Bürokratie

Fest steht, ohne äußeren Druck hätten die Einrichtungen in der Regel kein Patientenportal aufgelegt. Dennoch gaben sie an, dass ein solches Portal für effizientere Verwaltungsprozesse sorgen und dem Team so Zeit sparen könne.

Ganz einfach, indem viele Standardfragen wie die Terminvermittlung oder organisatorische und unkritische medizinische Fragen über den Online-Weg geklärt werden könnten. Damit sinke das Telefonaufkommen.

Außerdem gingen die Befragten davon aus, dass ein Telefongespräch samt Vorbereitung länger als das Tippen einer Nachricht über ein Patientenportal dauert. Auch normale Laborbefunde könnten so schneller übermittelt werden.

Beide Seiten profitieren laut der Studie zusätzlich davon, dass die Patienten - weil sie durch das Portal informierter sind - ihre Krankheit besser selbst managen können.

Und davon, dass bei den Patienten mehr an Wissen um den eigenen Gesundheitszustand hängen bleibt, weil nach dem Arztbesuch alle wichtigen Daten und Befunde einsehbar bleiben.

Angehörige könnten zudem besser und ohne jedes Mal vor Ort bei Untersuchungen mit dabei zu sein in die Therapie einbezogen werden.

Die Forscher haben sich aber ebenso der Frage gewidmet, was die zusätzliche direkte Kommunikation der Leistungserbringer untereinander bringt: Hierbei stellte sich heraus, dass vor allem die Ärzte weniger Doppeluntersuchungen und Behandlungsfehler - insbesondere bei der Medikation - sahen.

Uneingeschränkte Flatline zum Arzt?

Trotz aller Vorteile zeigten sich die Befragten insgesamt jedoch sehr skeptisch gegenüber den Patientenportalen. Denn die Arbeitserleichterung auf der einen Seite könne zu Mehrarbeit auf der anderen führen, etwa weil viele Portale nicht selbsterklärend sind.

Hier befürchten die Teams, dass sie vor allem weniger gebildete oder ältere Patienten schulen müssen. Oder aber, dass Patienten sie mit Anfragen überschütten, weil sie das Portal als Flatline zum Arzt betrachten.

Und dabei das Anspruchsdenken aus der Online-Welt, dass die Antwort sofort kommen müsse, übernehmen.

Wichtig sei zugleich, so die befragten Ärzte und Schwestern, dass die Haftungsfrage geklärt ist. Wie weit geht die Infopflicht hier? Dafür müssen vorab eindeutige Spielregeln festgelegt werden.

Ebenfalls kritisch ist es laut der Studienteilnehmer, wenn Patienten mit zu vielen Daten, die sie vielleicht nicht richtig einordnen können, allein gelassen werden. Das könnte zu Verunsicherung und unnötigen Ängsten führen.

Befürchtet wird aber auch, dass einige Patienten - weil sie sich informiert fühlen - nicht mehr zu wichtigen Kontrollterminen in die Praxis kommen und dass dann die Compliance leidet.

Umfassende Einführung nötig

Die Studie macht deutlich, dass Patientenportale oder Gesundheitsakten nur funktionieren, wenn die Patienten vor der Einführung umfassend über Möglichkeiten und Grenzen dieses Kommunikationsangebotes aufgeklärt werden - und zwar zielgruppengerecht.

Sonst verliert man durch die neue Technik vor allem die Patientengruppen, deren Gesundheitskompetenz man stärken will. Eine Aufgabe, die allerdings nicht an den ohnehin unter Zeitdruck stehenden Klinik- und Praxismitarbeitern hängen bleiben darf.

Geklärt werden sollte vor der Einführung aber noch eine weitere Frage: Was passiert mit fälschlich eingespielten Daten? Gibt es hier eindeutige und vor allem sichere Löschvorgänge?

Die IT-Verantwortlichen in der US-Studie waren sich da nicht so sicher.

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