Patientenakte

Ärzte und AOK holen dezentrale EPA nach Deutschland

Eine Hausarztpraxis im Stettiner Haff setzt mit einer streng dezentralen, intersektoralen elektronischen Patientenakte Akzente.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:
Hausarzt Dr. Christian Bauer (r.) im Gespräch mit einem Patienten, der sich über die AOK-EPA informiert.

Hausarzt Dr. Christian Bauer (r.) im Gespräch mit einem Patienten, der sich über die AOK-EPA informiert.

© Margit Wild/Fotowild.de

BERLIN/UECKERMÜNDE. Andere Länder haben bereits gute Erfahrungen damit gemacht. Jetzt sollen streng dezentrale, intersektorale Patientenakten auch in Deutschland Fuß fassen. Das Ärztenetz HaffNet macht den Anfang.

Es ist überall ähnlich: Wenn Patienten ins Krankenhaus eingewiesen werden, bringen sie im besten Fall alle ausgedruckten Unterlagen bei Aufnahme mit. Häufiger fehlt das eine oder andere.

Die Medikation ist unklar, Untersuchungen werden wiederholt, die stationäre Versorgung verzögert sich. Umgekehrt ist es ähnlich: Patienten werden entlassen, doch der behandelnde Arzt erhält die Unterlagen viel zu spät. Informationen gehen verloren, Anschlussmaßnahmen verzögern sich.

Hemmschuh Zeitaufwand

"Allen Beteiligten ist klar, dass sie besser zusammenarbeiten müssen. Aber die sektorübergreifende Versorgung scheitert bisher am enormen Arbeitsaufwand", betonte Stefanie Stoff-Ahnis von der Geschäftsleitung der AOK Nordost.

Zumindest für AOK-Versicherte in Mecklenburg-Vorpommern soll das jetzt anders werden: Am Montag fiel am Stettiner Haff, wie kurz berichtet, in der Hausarztpraxis von Dr. Christian Bauer in Torgelow, der Startschuss für die elektronische Patientenakte von AOK Nordost, dem Ärztenetz HaffNet und dem Ameos-Klinikum in Ueckermünde.

Bauers Praxis ist eine von zehn HaffNet-Praxen, die zum offiziellen Startschuss bereits online sind. Die weiteren dreißig Praxen sollen jetzt rasch folgen.

Der Hausarzt wirkt tatsächlich hoch zufrieden. Denn knapp ein Jahr lang wurden die Überleitungsbögen im HaffNet im Rahmen eines §140-Vertrags per Hand ausgefüllt.

Damit ist jetzt Schluss: "Wir brauchen weniger Zeit bei der Einweisung. Es gehen weniger Informationen bei der Entlassung verloren. Ich weiß vorab Bescheid. Ich kann bei Entlassung eines Patienten eine unserer Verah in die Spur schicken, um alles vorzubereiten. Das sind Riesenvorteile."

Nicht die erste digitale Lösung

Mit der Geschwindigkeit der IT ist der Hausarzt auch zufrieden. Zwar schafft seine Internetverbindung maximal 16 Mbit. Aber da der Upload der Daten im Zweifel im Hintergrund läuft, hält er das System für die Anforderung für ausreichend.

"Bei Bildern würde es schwierig", so Bauer. Typische Einweisungs-Mails mit zehn Megabyte Daten ließen sich aber gut übertragen.

Natürlich ist die Patientenakte im Ärztenetz HaffNet bei Weitem nicht die erste digitale Lösung für die intersektorale Kommunikation in Deutschland. Sie hat aber einige Besonderheiten.

Da ist zum einen die Kommunikation mit der Praxis-IT: Sie läuft über die S3C-Schnittstelle, die auch für viele Selektivverträge genutzt wird. Heißt im Klartext: Praktisch jedes Praxis-IT-System kommt damit klar.

Die Installation in der Praxis geht extrem flott, letztlich braucht es nur eine S3C-Update und eine Schulung des Personals in Sachen Aktennutzung.

Die zweite Besonderheit der Akte ist, dass der Zugang über das Sichere Netz der KVen (SNK) realisiert wird. Daran seien in Mecklenburg-Vorpommern praktisch alle Arztpraxen angeschlossen, sagte KV-MV-Vorstandsvorsitzender Axel Rambow.

Die KV ist ebenfalls Projektpartner am Stettiner Haff. Sie will die AOK-EPA auch für Ärzte öffnen, die nicht Mitglieder des Ärztenetzes HaffNet sind. Technisch kein Problem, sagt AOK Nordost Digitalchef Christian Klose. Ein paar organisatorische Fragen sind hier allerdings noch zu klären.

Akte eher Versorgungsplattform

Die Akte selbst, das ist die dritte Besonderheit, ist weniger eine Akte im engeren Sinne, sondern eher eine Versorgungsplattform. Die Daten liegen dezentral bei den Erzeugern. Was in der Akte gespeichert wird, sind Links zu den jeweiligen Ablageorten.

Einen Megaserver, an dem alle Daten des Patienten aus unterschiedlichen Quellen gesammelt werden, gibt es nicht. Wenn der Klinikarzt auf die Befunde des niedergelassenen Arztes zugreifen will, klickt er auf einen Link und kann das Dokument dann ansehen oder ggf. herunterladen.

Das heißt nicht, dass die Arztpraxen 24 Stunden online sein müssen. Dezentrale Akten arbeiten mit Verzeichnis-Servern, im konkreten Fall einem Server des Ärztenetzes HaffNet. Dort werden von den Ärzten freigegebene Dokumente gespiegelt, damit sie 24 Stunden am Tag zugänglich sind.

Diese "Kopien" sind aber an die Originale gekoppelt: Wird das Originaldokument verändert, ändert sich auch das gespiegelte Dokument. Der Erzeuger der Daten behält die absolute Kontrolle.

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