Kommentar – E-Patientenakte

Neues Ziel oder doch nur ein Glasperlenspiel?

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof Veröffentlicht:

Die Telemedizin bringt eine Inflation der Begriffe, und manche von ihnen sind längst so negativ besetzt, dass sie in der Öffentlichkeit kaum noch vermittelbar sind. Das gilt etwa für die elektronische Gesundheitskarte (eGK) und für die Telematikinfrastruktur. Beide sind mittlerweile assoziiert mit hohen Kosten, mit Blockadepolitik von Teilen der Selbstverwaltung und mit enormen Verzögerungen.

Ursprünglich sollte die eGK als Vehikel für eine bessere Zusammenarbeit aller Akteure im Gesundheitswesen bekanntlich schon 2006 kommen. Nun ist sie zwar da – aber eine engere Zusammenarbeit mit Hilfe der Karte und der zugehörigen Telematikinfrastruktur ist auch elf Jahre nach dem ursprünglichen Termin nicht umgesetzt. Strittig ist, ob die Technik heutigen Anforderungen überhaupt noch genügt. Zeit also für neue gedankliche Ansätze?

Rechtzeitig zur IT-Messe conhIT, die in der nächsten Woche startet, wirft die Bertelsmann Stiftung nun den Scheinwerfer auf die Entwicklung einrichtungsübergreifender elektronischer Patientenakten (eEPA). Das "Spotlight Gesundheit" der Stiftung zu einer Expertise des bekannten Medizininformatikers Professor Peter Haas zeigt zunächst, wie komplex es in hoch entwickelten Gesellschaften ist, ein nationales Projekt wie die eEPA tatsächlich umzusetzen. So wird unter anderem gefordert, ein eigenes E-Health-Kapitel im 5. Sozialgesetzbuch zu etablieren. Und die Governance-Struktur, die für die eEPA nach Meinung des Autors nötig wäre, umfasst unter anderem ein eigenes Bundesinstitut für E-Patientenakten; für die Betreibergesellschaft gematik, bisher zuständig für die Entwicklung der Infrastruktur rund um die Gesundheitskarte, bliebe nur ein Platz am Rande.

Doch hat die Bertelsmann Stiftung die eEPA natürlich nicht erfunden, an vielen Stellen sind bereits einrichtungsübergreifende Akten entstanden, gleichzeitig bemüht sich die Industrie um die Interoperabilität der Systeme und macht dabei auch deutliche Fortschritte.

Würde ein jetzt neu initiierter Prozess zur Entwicklung der eEPA mit einem Zeithorizont von zehn Jahren die Dinge wirklich voranbringen? Oder würde am Ende doch wieder ein Mammutprojekt herauskommen, das auf halber Strecke hängenbliebe – und dabei alle anderen Entwicklungen blockierte? Der Ansatz der Stiftung bietet sicherlich einige nützliche Denkanstöße für die weitere Entwicklung der Patientenakten. Aber die Politiker sollten der Versuchung widerstehen, dieses Glasperlenspiel in ein konkretes Vorhaben zu überführen.

Lesen Sie dazu auch: Bertelsmann-Stiftung: Institut soll E-Akte in die Hand nehmen

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