Im Gespräch

Kritiker rechnen Ärzte gerne reich - mit Umsatzzahlen

Transparenz beim Einkommen der Ärzte fordert Ulla Schmidt. Doch wie hoch ist der Verdienst eigentlich?

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof Veröffentlicht:

Damit wollte Ulla Schmidt die Kassenärzte wohl in Zugzwang setzen: In allen Planungsbezirken sollten jeweils die durchschnittlichen, die höchsten und niedrigsten GKV-Einnahmen jeder Arztgruppe veröffentlicht werden, forderte die Gesundheitsministerin. Auf diese Weise solle Transparenz hergestellt werden - die Verlierer der Honorarreform würden sichtbar, aber eben auch die Gewinner.

Doch die Forderung Schmidts ist typisch für die Diskussion um das Einkommen niedergelassener Ärzte. Sie greift in vielen Fällen zu kurz. Wer nur die GKV-Honorare öffentlich macht, blendet die Praxiskosten komplett aus. So könnten in der Öffentlichkeit die Honorarumsätze leicht mit dem Arzteinkommen verwechselt werden. Bei durchschnittlichen Kostenquoten zwischen, grob gerechnet, 40 und 75 Prozent je nach Arztgruppe ist das kein Pappenstiel.

Und selbst der Weg vom Umsatz eines Arztes zum wirklichen Gewinn wird oft abgekürzt. In der immer noch häufig genutzten EinnahmeÜberschuss-Rechnung bleiben die kalkulatorischen Kosten einer Praxis oft außen vor. Alles, was nach Abzug der Standardkosten wie Lohn- und Mietkosten, der Betriebskosten (Strom, Wasser etc.) und Gerätekosten (Abschreibungen) übrig bleibt, wird als Gewinn gerechnet. Auf diese Weise schreiben die meisten Arztpraxen tatsächlich schwarze Zahlen, und nicht zu knapp.

Doch wer sauber kalkuliert, kommt auch an anderen Kostenarten nicht vorbei. Der von der KBV für den EBM 2000plus geforderte Punktwert von 5,11 Cent liegt auch darin begründet, dass für einen niedergelassenen Arzt ein Unternehmerlohn in Höhe eines Oberarztgehaltes kalkulatorisch angesetzt wurde.

Auch die Risiken müssen in die Kalkulation einfließen

Weitere Posten, die gern übersehen werden: eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals, die Kosten für die Abdeckung des unternehmerischen Risikos - etwa, wenn ein Gerät kaputt geht und ersetzt werden muss - und die Risiken aus eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen. Dazu gehört zum Beispiel der Kontrahierungszwang - Vertragsärzte dürfen auch "teure" Patienten, mit denen sie betriebswirtschaftlich nichts verdienen können, nicht abweisen.

Die Kosten einer Praxis werden in der Diskussion gerne vergessen.

Alle diese Risiken müssten in eine saubere Kalkulation einfließen - sie bleiben aber oft außen vor. So ist es durchaus zu rechtfertigen, wenn Radiologen am Ende etwas mehr verdienen als andere Ärzte, weil sie viel mehr Kapital einsetzen müssen als die Kollegen anderer Arztgruppen. Und wer bei Vertragsärzten ein Oberarztgehalt als Unternehmerlohn abzieht, wird in einer Bilanz nicht selten einen Verlust ausweisen.

Die Konsequenz ist, dass viele Ärzte wirtschaftlich viel schlechter dastehen, als sie es selbst ahnen - und als es in der Öffentlichkeit immer wieder dargestellt wird. Sie leben von der Substanz, und davon, dass bestimmte Risiken eben nicht eintreten. Passiert es doch, fehlen die Reserven.

Das heißt wiederum nicht, dass die meisten Vertragsärzte am Hungertuch nagen müssen. Es zeigt aber die Notwendigkeit einer sauberen Bilanzierung - und den Zwang, die Kosten zu senken, zum Beispiel über Gerätegemeinschaften, Personalpools oder andere Kooperationen.

Arzteinkommen

Nach den Zahlen des Bundesgesundheitsministeriums vom vergangenen Jahr lagen die durchschnittlichen GKV-Umsätze aller Ärzte bei knapp 205 000 Euro. Davon blieben im Schnitt gut 91 000 Euro Überschuss - vor Steuern, Krankenversicherung und Altersvorsorge. Spitzenverdiener waren demnach die Radiologen mit rund 116 500 Euro GKV-Überschuss. Allgemeinärzte lagen bei 83 000 Euro und hausärztliche Internisten bei 82 500 Euro Überschuss aus der Behandlung von GKV-Patienten. Am Ende standen die Psychiater mit 65 500 Euro Überschuss.(ger)

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