Richtlinie macht Effektivzins zur Luftnummer

Der Kostenvergleich bei Hypothekendarlehen ist derzeit fast unmöglich. Schuld ist die EU-Verbraucherkreditrichtlinie.

Von Richard Haimann Veröffentlicht:
Auch bei klarer Sicht haben Häuslebauer in der EU derzeit nur einen vernebelten Blick auf die Kosten der Immofinanzierung.

Auch bei klarer Sicht haben Häuslebauer in der EU derzeit nur einen vernebelten Blick auf die Kosten der Immofinanzierung.

© V. Yakobchuk / fotolia.com

NEU-ISENBURG. Bei der Suche nach der günstigsten Finanzierung für eine Immobilie können Ärzte nicht mehr den angegebenen Effektivzins als Maßstab nehmen. Banken dürfen diese Messgröße derzeit nicht korrekt ausweisen - wegen umstrittener EU-Vorgaben im neuen Verbraucherkreditrichtliniengesetz.

Eigentumswohnungen und Miethäuser stehen als Kapitalanlage bei Medizinern hoch im Kurs. "Seit dem Börsencrash von 2008 sehen viele Ärzte Immobilieninvestments als sicheren Hafen", weiß Christian Wittke, Immobilienanlageexperte der Berenberg Bank.

Doch Immobilienkäufer haben derzeit ein Problem: Es ist für sie nicht einfach, die Kreditangebote zu vergleichen. Denn Banken und Sparkassen dürfen nicht mehr den tatsächlichen Effektivzins ausweisen.

Effektivzins rein rechnerisch kleiner als der Nominalzins

"In der Vergangenheit musste bei Hypothekendarlehen der Effektivzins nur für die vereinbarte Laufzeit des Kredits angegeben werden", erläutert Frank-Christian Pauli, Bankenexperte des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV). "Doch seit im Juni die Verbraucherkreditrichtlinie in Kraft getreten ist, muss ein Effektivzins angegeben werden, der bis zur endgültigen Tilgung des Darlehens anfallen könnte."

Für dessen Berechnung müssen die Banken ihre aktuellen Zinssätze für variable Darlehen ohne Zinsbindungsfrist heranziehen. "Weil diese Zinssätze besonders niedrig sind, erleben wir die absurde Situation, dass der angegebene Effektivzins bei langfristigen Immobilienkrediten niedriger ist als der Nominalzins für Darlehen mit gleichlanger Laufzeit", sagt Pauli.

Das ist jedoch faktisch unmöglich, da der Effektivzins die Gesamtbelastung aus Nominalzins und Nebenkosten wie der Abschlussgebühr widerspiegelt. Auch die Kreditwirtschaft ist mit der Situation unzufrieden: "Wir sind alles andere als glücklich", sagt Michaela Roth, Sprecherin des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV).

EU hat realitätsferne Berechnung vorgegeben

Die realitätsferne Berechnung hat die EU-Kommission vorgegeben. In vielen europäischen Staaten beträgt die Zinsbindungsfrist bei Hypothekendarlehen nur ein oder zwei Jahre. Bauherren in diesen Ländern konnten deshalb in der Vergangenheit die Kosten einer Immobilienfinanzierung nicht einmal annähernd kalkulieren. Mit der neuen Berechnungsmethode erhalten sie nun zumindest einen Anhaltspunkt über die Belastung durch eine Baufinanzierung.

In Deutschland hingegen werden Hypothekendarlehen in der Regel über zehn oder mehr Jahre zu einem festen Zinssatz abgeschlossen. "Deshalb sind die EU-Vorgaben ein Rückschritt für die hiesigen Verbraucher", sagt Pauli. Der VZBV und die Finanzwirtschaft drängen nun darauf, dass die Bundesregierung über eine Ausnahmeregelung die alte Effektivzinsberechnung wieder möglich macht.

Bis dahin sollten Immobilienkäufer von allen Banken ein vergleichbares Finanzierungsangebot einfordern, rät Nils Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Sein Tipp: "Sind die Höhe des Kreditbetrags, die Laufzeit und die Monatsrate identisch, lässt sich anhand der niedrigsten Restschuldsumme sofort das günstigste Angebot erkennen."

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