Warum Millionäre für eine Reichensteuer sind

Die Debatte um eine stärkere Belastung Vermögender ist in Deutschland entbrannt. Reiche - darunter auch Ärzte - rufen die Politiker öffentlich auf, sie höher zu besteuern. Der Bundesverband Freier Berufe hingegen hält höhere Steuern für grundsätzlich problematisch.

Von Antonia von Alten Veröffentlicht:
Bitte zugreifen! Eine Gruppe Vermögender fordet den Staat auf, sie künftig höher zu besteuern.

Bitte zugreifen! Eine Gruppe Vermögender fordet den Staat auf, sie künftig höher zu besteuern.

© Wodicka / panthermedia.net

BERLIN. Angefangen hatte der amerikanische Multimilliardär Warren Buffet, gefolgt von 16 der reichsten Manager und Aktionäre in Frankreich, die in einer Zeitung dazu aufriefen, höher besteuert zu werden.

In der vergangenen Woche hat sich nun auch in Deutschland die "Initiative Vermögende für eine Vermögensabgabe" in einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin gewandt und gefordert, höher besteuert zu werden.

Der Reichtum kam durch Erbschaften

Zu den Mitgliedern der Initiative gehören auch Ärzte. So ist einer der Gründer der Aktion, die im Jahr 2008 ihre Arbeit aufnahm, Dr. Dieter Lehmkuhl, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeut.

Zu Reichtum ist der 68-Jährige nicht durch sein Einkommen als Leiter des sozialpsychiatrischen Dienstes in Berlin Reinickendorf gekommen, sondern überwiegend durch Erbschaft. "Die Hälfte meiner Einkünfte beziehe ich inzwischen durch Kapitaleinkünfte."

Auch die Fachärztin für Pathologie, Dr. Irmingard Weise ist seit zwei Jahren Mitglied der Initiative. Nach dem Tod ihres Vaters in den 90er Jahren hat die Ärztin den Beruf gewechselt und kümmert sich seitdem um die Immobilien, die sie geerbt hat. Früher habe sie die Einstellung gehabt: "Nur keine Steuern zahlen!"

 "Ja, ich habe Vermögen und ich will auch Steuern zahlen."

Inzwischen habe sich ihre Grundhaltung geändert, berichtet die 58-Jährige. Sie sehe, dass der Staat Geld brauche, um beispielsweise Lehrer zu bezahlen oder Kliniken zu finanzieren. "Heute stehe ich auf dem Standpunkt: Ja, ich habe Vermögen und ich will auch Steuern zahlen."

Die derzeit 55 Mitglieder der Initiative gehören nicht zu den "Superreichen", sondern eher zur "Erbengeneration", stellt Lehmkuhl fest.

Auch Unternehmer gehören dazu. Die Millionärsinitiative gründete sich 2008 nach dem Finanzcrash. Sie wollten nicht hinnehmen, dass Normalverdiener und Unterprivilegierte in Deutschland die Rechnung bezahlen müssen.

Soziale Ungerechtigkeit

"Das ist eine himmelschreiende soziale Ungerechtigkeit", sagt der Psychiater. Das deutsche Steuersystem sei ungerecht. "Deutschland ist quasi eine Steueroase, was vermögensbezogene Abgaben angeht."

Die Reichensteuer

Derzeit greift der Spitzensteuersatz von 42 Prozent schon ab einem Jahreseinkommen von 52.882 Euro und damit bei den meisten Ärzten. Erst ab einem Einkommen von 250.731 Euro, was die wenigsten Ärzte durch ihre Praxistätigkeit erwirtschaften, greift der (Reichen)-Spitzensteuersatz von 45 Prozent.

Den jüngsten SPD-Plänen zufolge soll dieser Spitzensatz bei der Einkommensteuer auf 49 Prozent steigen und schon ab einem Jahreseinkommen von 100.000 Euro gelten. Wie sich die SPD-Vorschläge konkret auf die Einkommensteuer auswirken würden, ist in der rechten Tabelle zu sehen: Bei einem Jahreseinkommen von 150000 Euro müssten jährlich fast 58.000 Euro Steuern bezahlt werden - 3000 Euro mehr als bei einem Steuersatz von 42 Prozent.

Ginge es nach den Vorschlägen der Grünen, so würden auch Einkommmen ab 60.000 Euro mit 45 Prozent besteuert, manche in der Partei fordern sogar einen Spitzensteuersatz von 49 Prozent ab einem Einkommen von 68.000 Euro.

Die Liberalen halten das Schrauben am Spitzensteuersatz für wirtschafts- und finanzpolitisch falsch. In der CDU gibt es einzelne Abgeordnete, die für eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes sind, die Mehrheit ist aber dagegen.

Er fordert eine stärkere Beteiligung der Reichen an der Steuerlast. Die Schere zwischen Arm und Reich sei seit 2000 in keinem anderen westlichen Industrieland so gestiegen wie in Deutschland. Das obere Zehntel verfüge dem gewerkschaftsnahen Düsseldorfer Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) zufolge inzwischen über 63 Prozent, das obere ein Prozent sogar über 23 Prozent der Vermögen in Deutschland.

Beim Einkommen sei es ähnlich. So wurde der Spitzensteuersatz der Einkommensteuer von 56 Prozent in den 80er Jahren sukzessive auf 42 Prozent bzw. 25 Prozent (Abgeltungssteuer) gesenkt. Dem Staat seien dadurch insgesamt rund 300 Milliarden Euro entgangen.

Die Initiative fordert, dass alle Personen jenseits einer Schongrenze von 500.000 Euro zu einer auf zwei Jahre befristeten Vermögensabgabe von je fünf Prozent verpflichtet werden sollen.

Lehmkuhl erwartet dadurch Mehreinnahmen von mindestens 100 Milliarden Euro. Anschließend solle die 1997 ausgesetzte Vermögenssteuer mit einem Satz von mindestens einem Prozent wieder eingeführt werden.

Beifall kommt von Wirtschaftsforschern

Das so eingezogene Geld soll dann gezielt in den ökologischen Umbau der Wirtschaft, in Personal für Bildungs-, Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen sowie in die Erhöhung von Transfereinkommen wie Harz IV investiert werden.

Beifall finden die Vorschläge der Millionärsinitiative zur Vermögenssteuer beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Um Steuererhöhungen, so der Steuerexperte des Instituts, Stefan Bach, komme Deutschland nicht herum, wenn die Staatsverschuldung abgebaut werden solle.

Bach plädiert jedoch dafür, die Steuererhöhungen auf verschiedene Instrumente zu verteilen: neben der Einführung einer Vermögenssteuer sollten der Spitzensteuersatz bei der Einkommenssteuer und die Erbschaftssteuer moderat erhöht werden.

Insgesamt werde das dem Staatshaushalt etwa zehn bis 15 Milliarden Euro Mehreinnahmen pro Jahr verschaffen.

Ärzte sind in seltensten Fällen von der Vermögenssteuer betroffen

Ärzte würden in den seltensten Fällen von der geforderten Vermögenssteuer getroffen werden, so Bach. Höchstens, wenn ein Betriebsvermögen über einer Million Euro vorhanden sei. Das trifft jedoch höchstens auf radiologische Praxen zu, nicht auf Hausarztpraxen.

Während die Millionärsinitiative auf eine Steuer auf Vermögen drängt, fordert die SPD eine Reichensteuer von 49 Prozent - statt bisher 45 Prozent - für alle Jahreseinkommen über 100.000 Euro - bisher 250731 Euro (siehe Kasten).

Ein "problematisches Signal" nennt der Bundesverband der Freien Berufe (BFB) jede Art von höheren Steuern. Denn, so der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Rechtsanwalt Arno Metzler, in der Folge sinke die Liquidität, was sich wiederum negativ auf Investitionen und Arbeitsplätze auswirke.

Die meisten Ärzte gehören eher zum Mittelstand

Der Vorsitzende des Berufsverbandes der niedergelassenen Chirurgen, Dr. Dieter Haack, gibt dagegen zu bedenken, dass Ärzte im Durchschnitt nicht zu den Spitzenverdienern, sondern eher zum Mittelstand gehören. Sollte es Pläne geben, den jetzt schon bestehenden Spitzensteuersatz von 42 Prozent, der ab einem Einkommen von 52.882 Euro greift, zu erhöhen, so würde dies mögliche Investitionen in Praxen abwürgen..

Haacks Vorschlag: Die "öffentliche Hand" solle mehr sparen.

Spitzensteuersatz für Reiche: von 45 auf 49 Prozent?
So wirkt sich eine höhere Reichensteuer auf die Einkommensteuer aus (ohne Solidaritätszuschlag):
zu versteuerndes Einkommen* Einkommensteuer aktuell** SPD Vorschläge zur Einkommensteuer *** Mehrbetrag pro Jahr
50.000 € 12.847 € 12.847 € 0 €
75.000 € 23.328 € 23.328 € 0 €
100.000 € 33.828 € 33.828 € 0 €
150.000 € 54.828 € 57.806 € 2.978 €
200.000 € 75.828 € 82.306 € 6.478 €
250.000 € 96.828 € 106.806 € 9.978 €
300.000 € 119.306 € 131.306 € 12.000 €
400.000 € 164.306 € 180.306 € 16.000 €
* Einzelveranlagung ** Spitzensteuersatz 42 % ab 52.882 € 45 % ab 250.731 €  *** Spitzensteuersatz 42 % ab 52882 u 49 % ab 100000 €
Quelle: Eigene Berechnungen - Tabelle: Ärzte Zeitung
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