Heilbehandlung oder nicht

Umsatzsteuerfalle Prävention

Der Fiskus nimmt Präventionsleistungen schärfer ins Visier. Die Grenzen zwischen Heilbehandlung und Mehrwertsteuerpflicht sind nicht klar gezogen und für Ärzte oft schwer zu erkennen. Steuerberater geben Tipps.

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof Veröffentlicht:
Ein Fall von Prävention?

Ein Fall von Prävention?

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Bisher geht es beim Check-up 35 darum, Krankheiten mittels Diagnostik möglichst früh zu erkennen. Die Bundesregierung will mit ihrer "Nationalen Präventionsstrategie" mehr erreichen.

Der "krankheitsorientierte Ansatz wird präventionsorientiert erweitert", heißt es dazu in den Eckpunkten. Zusätzlich solle gesetzlich klargestellt werden, "dass die Gesundheitsuntersuchung auch primärpräventive Maßnahmen wie die Erfassung und Bewertung gesundheitlicher Risiken und Belastungen sowie eine präventionsorientierte Beratung beinhaltet".

Und zur Begründung für das geplante Gesetz heißt es: "Bereits lange vor dem Auftreten einer Erkrankung können gesundheitliche Risikofaktoren und Belastungen vorliegen, die durch primärpräventive Maßnahmen beseitigt oder zumindest vermindert werden können".

Ärzte sollen auf Grundlage der Untersuchung dann eine Präventionsempfehlung ausstellen - als Vorlage für die Kasse des Patienten, die über eine finanzielle Unterstützung von Präventionsmaßnahmen zu entscheiden hat.

Abgesehen davon, dass in den Eckpunkten noch nichts über die Neubewertung der extrabudgetär vergüteten Leistung 01732 (Check-up 35) gesagt ist, könnte mit einer solchen Erweiterung dieser Leistung ein anderes Problem für Ärzte relevant werden: die Umsatzsteuer.

Zwar sind ärztliche Leistungen gemäß Paragraf 4 Nr. 14 Umsatzsteuergesetz (UStG) in der Regel von der Umsatzsteuer befreit. Doch schließt das nur Heilbehandlungen ein, Rechtsgutachten zum Beispiel dagegen nicht.

In der Rechtsprechung (unter anderem des Europäischen Gerichtshofes) sind Heilbehandlungen definiert als "Tätigkeiten, die zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen vorgenommen werden".

Streitfall Primärprävention

Die Grenzen zwischen Heilbehandlung und Maßnahmen, die zum Beispiel nur ganz allgemein der Verbesserung des Gesundheitszustandes dienen, sind nicht ganz klar gezogen und werden immer wieder in Gerichtsverfahren neu ausgelotet.

Strittig sind sie ausgerechnet bei präventiven Leistungen, die die Regierungskoalition jetzt fördern will - vor allem bei der Primärprävention.

Ärzte verhalten sich einer möglichen Umsatzsteuerpflicht gegenüber bisher unterschiedlich: Manche, etwa die Schönheitschirurgen, zahlen sie ganz selbstverständlich auf einen großen Teil ihrer Leistungen.

Andere verhalten sich relativ blauäugig und sehen für ihre medizinischen Leistungen, die sie an Patienten erbringen, generell keine Umsatzsteuerpflicht.

Wieder andere sehen die Gefahr, dass sie durch Präventionsleistungen über die Geringfügigkeitsgrenze bei der Umsatzsteuer kommen, und bieten deshalb keine Präventionsleistungen an - was der Intention der Bundesregierung, Prävention zu fördern, aber widerspricht.

Dr. Jürgen Karsten, Vorstand der auf Ärzte spezialisierten Steuerberater-Gruppe ETL Advision, kennt aus der Praxis alle drei Verhaltensmuster. Vor allem eine allzu große Sorglosigkeit kann sich rächen, so Karsten in einem Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" zum Thema Umsatzsteuer für Ärzte.

Und zwar dann, wenn zum Beispiel das Finanzamt zu einer Betriebsprüfung in die Praxis kommt. Vor allem Maßnahmen der primären Prävention, die die Krankenkassen nach Paragraf 20 SGB V bezahlen sollen, fielen häufig unter die Umsatzsteuerpflicht, betont der Steuerberater.

Die Prüfpraxis der Finanzämter sei in den vergangenen Jahren gerade bei der Umsatzsteuer von Ärzten strenger geworden, weiß Karsten aus Erfahrung. Für Ärzte habe das teilweise erhebliche Nachzahlungen zur Folge, zumal die Steuer im Nachhinein ja Patienten nicht in Rechnung gestellt werden könne.

Dass der Fiskus bei Ärzten zunehmend genau hinschaut, bestätigt auch Thomas Meurer aus persönlicher Einschätzung. Der Mehrwertsteuerexperte ist bei der Oberfinanzdirektion Rheinland tätig.

Ein Ansatzpunkt für schärfere Kontrollen sei die Umsatzsteuer auf Präventionsleistungen. "Das heißt aber nicht, dass nun jede Präventionsleistung umsatzsteuerpflichtig wird".

Indikationsbezug definieren!

Entscheidend sei, dass das Kriterium der Heilbehandlung erfüllt sei, dann falle keine Umsatzsteuer an, so Meurer, der sich im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" als Experte äußert und nicht stellvertretend für seine Behörde, wie er betont.

Dabei gehe es vor allem um eine konkrete therapeutische Zielsetzung, ergänzt Karsten. Das heißt: Eine Maßnahme bezieht sich auf eine konkrete, im individuellen Fall bei dem Patienten identifizierte oder identifizierbare Gesundheitsstörung.

Der Unterschied wird laut Karsten bei Leistungen wie der Raucherentwöhnung oder der Ernährungsberatung zur Gewichtsreduktion, die ja auch Hausärzte häufig anbieten, deutlich.

So habe das Finanzgericht Köln geurteilt, dass Seminare zur Raucherentwöhnung nur dann umsatzsteuerfrei sind, wenn zuvor in einer individuellen Untersuchung die medizinische Indikation (also ein konkretes Krankheitsbild) identifizierbar ist, etwa rezidivierende Atemwegsinfekte, und das Seminar daher ärztlich zu empfehlen ist.

Bei einer Ernährungsberatung wegen Übergewicht könne ein Indikationsbezug zum Beispiel durch eine Untersuchung hergestellt werden, die einen Prädiabetes feststellt.

"Leistungen der Primärprävention sollten daher immer ganz konkret indikationsbezogen, also zur Vorbeugung konkreter Krankheiten bei diesem individuellen Patienten erbracht werden, zum Beispiel aufgrund bestimmter Risikofaktoren", sagt Karsten und rät, den Indikationsbezug genau zu dokumentieren.

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