E-Health

Deutschland hinkt gewaltig hinterher

Die mangelnde gerätetechnische Ausstattung der Praxen und Kliniken lässt Deutschland beim Thema digitale Vernetzung alt aussehen. Trotzdem werden in nächster Zukunft ganze Versorgungsbereiche den analogen Weg weitgehend verlassen, meint ein Gesundheitsmarktexperte.

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Dauerbaustelle Vernetzung: Die Telematikinfrastruktur ist so komplex angedacht, dass der Datenaustausch auch nach rund zehn Jahren noch nicht läuft.

Dauerbaustelle Vernetzung: Die Telematikinfrastruktur ist so komplex angedacht, dass der Datenaustausch auch nach rund zehn Jahren noch nicht läuft.

© djama / fotolia.com

NEU-ISENBURG. In zehn Jahren wird die gesundheitliche Versorgung in Deutschland wesentlich digitaler vonstatten gehen. Allein schon deshalb, weil sonst in den ländlichen Regionen eine gute medizinische Versorgung gar nicht mehr möglich sein wird, ist sich Professor Volker Penter, Leiter Gesundheitswirtschaft und Partner bei der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sicher.

Dennoch hinke Deutschland in Sachen E-Health und Vernetzung im internationalen Vergleich derzeit gewaltig hinterher. "China und die USA überholen uns technologisch." Und dafür gibt es laut Penter zwei Gründe.

Die Krux mit dem Datenschutz

"Beide Länder gehen völlig anders mit dem Thema Datenschutz um", erklärt der Gesundheitsmarktexperte. Das müsse man ihnen nicht nachmachen. Deutschland hat laut Penter aber viel zu viel Zeit mit dem Aufbau der Telematikinfrastruktur verloren. Eben weil es - um allen Kritikern gerecht zu werden - auf ein sehr komplexes und kompliziertes System setzt.

"Wir brauchen ein einheitliches Vernetzungssystem, das es schafft, Daten von A nach B zu übertragen." Doch genau daran scheitert das Gesundheitswesen bislang: Gerade erst wurde publik, dass die geplanten Online-Tests für die Gesundheitskarte einmal mehr verschoben werden müssen.

Und: "Wenn man sieht, welch hohes Sicherheitsbedürfnis die Menschen hierzulande bei der Frage, welche Daten die Krankenversicherer erfassen und auswerten dürfen, haben und wie auf der anderen Seite bei Facebook und Co persönliche Daten einfach so preisgegeben werden, dann braucht es eine neue Form der gesellschaftlichen Diskussion über den Datenschutz."

Die zweite große Hürde, die einer ausreichenden Vernetzung im Gesundheitswesen im Weg steht, ist die mangelnde gerätetechnische Ausstattung in den Praxen und Kliniken. "Wir wissen aus den Kliniken, dass wir eine enorme Investitionslücke haben und noch nicht einmal die regelmäßig anfallenden, normalen Reinvestitionen gedeckt sind", so Penter.

Die geplante Klinikreform bringe hier keinerlei Erleichterung, sondern behalte den Mangel bei. "Was wir brauchen, sind DRG, die die Investitionskosten mit abdecken." Laut Penter gibt es in der Schweiz, die man durchaus mit unserem Gesundheitssystem vergleichen könne, ein solches System.

"Die Investitionskosten sind dort ein fester Bestandteil der DRG." Die DRG seien dort zudem für gleiche Leistungen fast doppelt so hoch wie in Deutschland. Doch auch bei den niedergelassenen Ärzten fehlt das Geld für Investitionen. Penter: "Leistungen, die mit der Telematikinfrastruktur zusammenhängen, werden derzeit teilweise gar nicht und wenn, dann oft nur unzureichend vergütet."

Dabei werden nach Meinung des Gesundheitsmarktexperten vor allem die Hausärzte in der digitalen Versorgung eine Schlüsselrolle spielen. In den ländlichen Regionen würden in rund zehn Jahren insbesondere fachärztliche Leistungen über telemedizinische Anwendungen bereit stehen.

Dazu würden für Untersuchungen etwa vermehrt - ambulante oder stationäre - Zentren aufgebaut. Und auch die Videokonsile mit Fachärzten werden laut Penter zunehmen. "Der Hausarzt wird stärker die menschliche Anlaufstelle sein und sich selbst wiederum die Expertise über die Technik holen." Ersetzt werde der Arzt in keinem Fall: "Die Ferndiagnose hat ihre Grenzen - und ist in Deutschland auch nicht akzeptiert", stellt Penter klar.

Patienten wollen aktiv gestalten

Im Markt der mobilen Anwendungen, also der Gesundheits-Apps, wird es nach Ansicht des Experten hingegen eine Bereinigung geben: "Wir befinden uns derzeit in der Phase des Urknalls: Jeder entwickelt irgendetwas, und ein halbes Jahr später ist es wieder vom Markt verschwunden."

Zukunft hätten allerdings Anwendungen, die sich rund um das Thema Prävention drehen. Diese ließen sich nämlich auch gut mit Belohnungs- und Bonussystemen koppeln. "Einige Versicherer sind da schon dran", so Penter. Bekanntestes Beispiel dürfte der Privatversicherer Generali sein.

Aber auch das Thema Datenverfügbarkeit werde die Versicherten und Patienten mehr beschäftigen. "Der Patient wird künftig stark daran interessiert sein, an der Versorgung aktiv mitzuwirken und seine Daten einzusehen. Vor allem die junge Generation, die gewohnt ist, mit ihren Daten umzugehen.

Der informierte Patient wird zudem eine tragende Rolle bei der Forderung und damit der Entwicklung neuer Applikationen einnehmen." Hier sei aber der Gesetzgeber gefordert, dann auch das Arzthaftungsrecht anzupassen, fordert Penter. "Wenn der Patient stärkeren Einblick in seine Akte erhält, dann müssen Ärzte auch ausreichend gegen Prozesse geschützt werden, die unrechtmäßig geführt werden." Anwaltskanzleien, die darauf spezialisiert seien, gebe es bereits heute.

Klar sei auch, dass es ein E-Health-Gesetz 2.0 geben wird und dass dieses auch gebraucht wird. Denn die Digitalisierung der Daten und das Verwenden für die Forschung und die personalisierte Medizin finde bereits statt. "Pharmafirmen operieren international", gibt Penter zu bedenken.

Aus seiner Beratungspraxis weiß er, dass einige darunter längst mit Medizintechnikanbietern an gemeinsamen Therapien tüfteln und sich dazu auch mit großen forschenden Universitäten zusammentun. Big-Data ist damit längst ein Thema und keine bloße Zukunftsmusik. (reh)

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