Im Gespräch

Darf ein guter Arzt wirklich nicht aufs Geld schauen?

Woran erkennt man einen guten Arzt? Die "Bild"-Zeitung meint die Antworten zu kennen und präsentierte ihren Lesern jüngst eine Checkliste. Doch viele Ärzte hat sie damit vor allem auf die Palme gebracht.

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof Veröffentlicht:
"Bild muss weg": Das wird sich mancher Arzt nach der jüngsten Checkliste gedacht haben.

"Bild muss weg": Das wird sich mancher Arzt nach der jüngsten Checkliste gedacht haben.

© PEMAX / imago

Es war der zunehmende öffentliche Druck auf die niedergelassenen Ärzte, der Jörg-Dietrich Hoppe dazu brachte, die innerärztliche Diskussion über Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) in der vergangenen Woche wieder anzufachen.

Das Thema wird auf dem kommenden Ärztetag in Kiel voraussichtlich wieder einmal auf der Tagesordnung stehen. Als wenn sie den mahnenden BÄK-Präsidenten bestätigen wollte, veröffentlichte die "Bild"-Zeitung am vergangenen Dienstag eine Checkliste zum Thema "Wie erkenne ich einen guten Arzt?".

Mitgewirkt hatten ein Mitarbeiter der Verbraucherzentrale NRW und Wolfram Candidus von der Deutschen Gesellschaft für Versicherte und Patienten.

Der Beitrag reiht sich ein in die kritischen Stimmen in Medien und auch bei Kassenvertretern zum Thema IGeL, unter anderem mit sehr pauschalen Aussagen wie "Wenn die Praxis nach der Kassenzugehörigkeit fragt, bevorzugt sie eventuell Privatpatienten - das ist nicht gut fürs Vertrauensverhältnis zum Arzt. Die medizinische Versorgung sollte im Mittelpunkt stehen, keine ökonomischen Interessen."

Kriterium für einen guten Arzt ist demnach auch, ob "das Wartezimmer frei von Werbe-Flyern oder Werbe-Fernsehen für so genannte IGeL-Leistungen (individuelle Gesundheitsleistungen)" ist.

Denn, so schreibt die "Bild"-Zeitung: "Der Arzt soll kein Verkäufer sein (...) An IGeL-Leistungen verdient er zusätzliches Geld. Wird dieser Aspekt in den Vordergrund gestellt, leidet das Arzt-Patienten-Verhältnis."

Anleitung für "aggressive Patienten"

Ist Geld zu verdienen für Ärzte wirklich etwas Verwerfliches? Diese pauschal gehaltenen Äußerungen der "Bild"-Zeitung haben jedenfalls viele Ärzte auf die Palme gebracht, auch Leser der "Ärzte Zeitung".

So kritisiert Dr. Mathias Schröter im Internet auf "Ärzte Zeitung online", dass offenbar die Meinung vorherrscht, einem Arzt müsse die Anerkennung für seine Arbeit reichen, "aber dafür muss er fast umsonst arbeiten". Der Beitrag sei zudem eine "Anleitung für aggressive Patienten".

Schröter steht mit seiner Meinung nicht allein: Auch Allgemeinarzt Dr. Thomas Georg Schätzler aus Dortmund fragt, ob die "Bild"-Zeitung denn meine, dass ein guter Arzt "nur noch für Gotteslohn" arbeite?

"Kein Schimmer" von der Versorgungsrealität

Gerade die Frage nach der Kassenzugehörigkeit, so Schätzler, sei doch Pflicht bei neuen Patienten und habe mit der Bevorzugung von Privatpatienten nichts zu tun. Zudem müsse jeweils die Chipkarte ausgehändigt werden.

Wenn der Patient sie nicht dabei habe, müsse seine Praxismitarbeiterin manchmal "endlos bei der angegebenen Kasse hinterhertelefonieren, um endlich eine Versicherungsbestätigung zugefaxt zu bekommen". So vergehe viel Zeit, "bis der Patient endlich bei seinem "Doktor" mal "zu Potte kommt".

Schätzlers Resümee: "Es ist superpeinlich, dass die "Bild"-Zeitung gemeinsam mit der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen mal wieder keinen Schimmer davon hat, was qualifizierte hausärztliche Versorgung in Stadt und Land, in sozialen Brennpunkten und anderswo bedeutet."

Und diese qualifizierte Versorgung ist mittlerweile durchaus angewiesen auf Zusatzeinnahmen. Auf 1,5 Milliarden Euro wird der Markt für IGeL nach aktuellen Studien des Wissenschaftlichen Instituts der AOK taxiert. Das sind gerade einmal fünf Prozent des gesamten GKV-Honorars, das trotz Morbiditätsorientierung immer noch budgetiert ist.

GKV-System: Anspruch versus Wirklichkeit

Die anderen Teile der Checkliste aus der "Bild"-Zeitung sind überwiegend weniger strittig. Hier geht es eher um allgemeine Qualitätskriterien wie Wartezeiten, Datenschutz am Empfang, Hygiene in der Praxis, Zuwendung zum Patienten und verständliche Erläuterungen zur Krankheit.

Das Kerngeschäft jedes Arztes wird nicht thematisiert - und ist für Patienten natürlich auch schwer zu beurteilen: Die Qualität des Arztes als guter Diagnostiker und Therapeut.

Insgesamt zeigt "die große Checkliste" in der "Bild" einmal mehr, dass immer noch die Auffassung vorherrscht, mit dem Honorar der Kassen seien alle medizinischen Leistungen abgedeckt und es gebe keinerlei Beschränkungen. Dass Patienten darüber hinaus individuelle Bedürfnisse haben, wird verkannt.

Die Irritation bei vielen Ärzten über den Beitrag ist insofern ein guter Indikator dafür, dass "Bild" nicht die Realität wiedergibt.

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