Selbstzahlerleistungen

Erneut zwei negative Bewertungen beim IGeL-Monitor

Populär, aber nicht empfehlenswert? Das EKG zur Früherkennung einer koronaren Herzkrankheit und die Spirometrie bei asymptomatischen Erwachsenen sind im IGeL-Monitor jeweils mit "tendenziell negativ" bewertet worden.

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:
Das EKG als Präventionsangebot? Das geht lediglich auf IGeL-Basis.

Das EKG als Präventionsangebot? Das geht lediglich auf IGeL-Basis.

© Zsolt Nyulaszi / fotolia.com

NEU-ISENBURG. Es ist durchaus üblich, gesetzlich Krankenversicherten, die sich zu einem Check-up vorstellen, ansonsten aber keine Beschwerden haben, eine elektrokardiografische Untersuchung (EKG) anzubieten. Aus einer repräsentativen Umfrage des Wissenschaftlichen Instituts der AOK geht hervor, dass 1,6 Prozent der Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) EKG-Untersuchungen sind.

Eine Analyse wissenschaftlicher Publikationen zu dem Thema durch Gutachter im Auftrag des vom Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes der Krankenkassen (MDS) betriebenen Online-Portals IGeL-Monitor hat nun ergeben, dass die derzeitige Studienlage kein Urteil über den Nutzen eines Ruhe- oder Belastungs-EKGs "bezüglich patientenrelevanter und klinischer Endpunkte bei asymptomatischen Erwachsenen ohne Risikofaktoren" zulasse. Daher lautet das Votum auf der Plattform "tendenziell negativ".

Die Recherche von Dr. Tim Mathes von der Privaten Universität Witten/Herdecke und Dr. Silke Thomas vom MDS in Essen hatte lediglich eine einzige relevante systematische Übersichtsarbeit zu diesem Thema ergeben, randomisierte kontrollierte Studien dazu existierten nicht. Falsch-positive EKG-Befunde könnten theoretisch einen Schaden verursachen, etwa wenn es bei Folgeuntersuchungen zu Kontrastmittelunverträglichkeiten bei der Koronarangiographie oder zu Gefäß- und Nervenverletzungen komme.

MDS: Es mangelt an Studien

Mathes und Thomas führen außerdem an, dass ein EKG zusätzlich zur Beurteilung mit üblichen Scores wie dem Framingham-Score keine veränderte Risikoklassifizierung des Untersuchten zur Folge habe. Sie verweisen auf die U.S. Preventive Services Task Force (USPSTF). Demnach wird für Personen mit niedrigem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse kein Screening mittels EKG empfohlen. Für Personen mit mittlerem oder hohem Risiko sei die Evidenz unzureichend, um Nutzen und Schaden des EKG-Screenings zu bewerten.

Mittels der Spirometrie bei asymptomatischen Erwachsenen oder bei Rauchern ohne klinische Beschwerden nach obstruktiven Lungenerkrankungen zu fahnden, halten die Gutachter ebenfalls für keine gute Idee. Auch diese Selbstzahlerleistung bewertet der IGeL-Monitor mit "tendenziell negativ". Stefanie Butz, Annette Ernst und Dr. Dagmar Lühmann vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf haben lediglich zwei systematische Übersichtsarbeiten dazu gefunden. Demnach gibt es zu der Thematik keine Studien mit geeignetem Evidenzniveau. In ausgewerteten internationalen Leitlinien werde ein solches Screening ebenfalls nicht empfohlen.

Selbst wenn Patienten mit milder oder moderater COPD damit identifiziert würden, hätte dies mit Blick auf verfügbare Therapieoptionen kaum einen Nutzen, so die Gutachter. Dem gegenüber gebe es Hinweise auf anzunehmende Schäden durch unnötige Folgeuntersuchungen oder nicht indizierte Behandlungen.

Für Raucher dennoch sinnvoll

In einer Stellungnahme stimmt die Deutsche Atemwegsliga zwar prinzipiell den Gutachtern zu, dass evidenzbasierte Aussagen derzeit nicht möglich sind. Professor Carl-Peter Criée aus Göttingen weist aber im Namen der Atemwegsliga darauf hin, dass bereits bei Verdacht auf Atemwegserkrankungen die Indikation zu Spirometrie großzügig gestellt werden sollte. Und zwar nicht nur, wenn eine COPD oder ein Asthma vorliegen könnte, sondern zum Beispiel auch bei muskuloskelettalen Erkrankungen mit Auswirkung auf die Atmung oder bei arbeitsmedizinischen Fragestellungen.

Criée verweist außerdem auf die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), wonach jeder Raucher eine Messung der Lungenfunktion erhalten sollte. Ein pathologisches Ergebnis könnte zusätzlich Motivation für das Einstellen des Rauchens sein.

"Wir wissen, dass COPD-Patienten ihre Beschwerden dissimulieren", argumentiert auch Dr. Peter Kardos aus Frankfurt am Main. Sie passten ihre körperliche Tätigkeit der noch verbliebenen Lungenfunktion an, so Kardos zur "Ärzte Zeitung". "Es ist in der Praxis kaum möglich, solche Details anamnestisch genau zu erfassen." Mit der Spirometrie könne daher selbst bei beschwerdefreien Patienten eine behandlungswürdige Obstruktion nachgewiesen werden.

Und Criée weist darauf hin, dass kostenlose Lungenfunktionstests bei Patiententagen der Atemwegsliga oder auch der Europäischen Gesellschaft für Pneumologie bei "weit über zehn Prozent" der Teilnehmer pathologische Ergebnisse gezeitigt hätten, alles Menschen, denen eine Lungenkrankheit bisher nicht bekannt gewesen sei. Deshalb, so der Pneumologe, könne ein spirometrisches Screening durchaus auch bei asymptomatischen Personen sinnvoll sein.

10% und mehr der Teilnehmer von kostenlosen Lungenfunktionstests bei Patiententagen der Atemwegsliga oder der Europäischen Gesellschaft für Pneumologie weisen pathologische Ergebnisse auf.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Knackpunkt Selbstzahlerleistungen

Der richtige Umgang mit IGeL-Fallen

Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Der Gesundheitsdialog

© Janssen-Cilag GmbH

J&J Open House

Der Gesundheitsdialog

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

© Springer Medizin

Johnson & Johnson Open House-Veranstaltung am 26. Juni 2025 beim Hauptstadtkongress

Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
J&J Open House beim Hauptstadtkongress

© [M] Springer Medizin Verlag

Video zur Veranstaltung

J&J Open House beim Hauptstadtkongress

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 2: TriMaximize-Studie: Verbesserung der Lebensqualität nach Umstellung auf extrafeine Dreifachfixkombination

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [8]

Mittelgradiges bis schweres Asthma bronchiale

Bessere Kontrolle und Lebensqualität unter inhalativer Triple-Therapie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Chiesi GmbH, Hamburg
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Manchmal kommt Künstliche Intelligenz ziemlich abstrakt daher. Doch es gibt zunehmend auch konkrete Anwendungen, sogar für Arztpraxen.

© 3dkombinat - stock.adobe.com

Praxisorganisation

Mit KI zu mehr Entlastung fürs Praxisteam

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Eine schwierige Entscheidung

Schlaganfall: Das sind Grenzfälle der Thrombolyse

Berufsbedingte Schäden

Wenn Musikmachen Muskeln, Sehnen und Gelenke krank macht

Lesetipps
Sieht lecker aus und schmeckt — doch die in Fertigprodukten oft enthaltenen Emulgatoren wirken proinflammatorisch. Ein No-Go für Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

© mit KI generiert / manazil / stock.adobe.com

Emulgatoren in Fertigprodukten

Hilfreich bei Morbus Crohn: Speiseeis & Co. raus aus dem Speiseplan!

Checkliste Symbolbild

© Dilok / stock.adobe.com

Auswertung über Onlinetool

Vorhaltepauschale: So viele Kriterien erfüllen Praxen laut Honorarvorschau