Proteste gegen Klinikreform

Unikliniken in Alarmstimmung

Belastungen von bis zu 250 Millionen Euro warten ab 2017 auf die Hochschulmedizin - Grund genug für Alarmstimmung auf ihrem Innovationskongress.

Julia FrischVon Julia Frisch Veröffentlicht:
Rote Karte für die Reform: Demonstranten vor dem Brandenburger Tor beim Aktionstag der Deutschen Krankenhausgesellschaft am 23. September in Berlin.

Rote Karte für die Reform: Demonstranten vor dem Brandenburger Tor beim Aktionstag der Deutschen Krankenhausgesellschaft am 23. September in Berlin.

© Stephanie Pilick

BERLIN. Mit Sorge betrachten die Universitätsklinika das geplante Krankenhausstrukturgesetz. Mit Belastungen von bis zu 250 Millionen Euro rechnet die Hochschulmedizin ab 2017.

Nach der großen Protestaktion gegen das geplante Krankenhausstrukturgesetz kommt die Kritik aus der Deutschen Hochschulmedizin, einem Zusammenschluss des Verbands der Deutschen Universitätsklinika (VUD) und des Medizinischen Fakultätentags (MFT), nicht überraschend.

Auf dem Innovationskongress 2015 der Deutschen Hochschulmedizin in Berlin war der Gesetzentwurf am Donnerstag das große Thema.

Die Streichung des Versorgungszuschlags, die Einführung eines Fixkostendegressionsabschlags für Mehrleistungen sowie die DRG-Anpassungen bei sinkenden Sachkosten sorgen auch bei den Universitätskrankenhäusern für Alarmstimmung.

Allein die vorgesehenen Mehrleistungsabschläge könnten sie zwischen 50 und 100 Millionen Euro jährlich kosten, sagte Ralf Heyder, Generalsekretär des VUD, auf einer Pressekonferenz.

Die Hälfte schreibt rote Zahlen

Die finanzielle Lage werde für die Unikliniken schwieriger, schon jetzt schreibe die Hälfte rote Zahlen. Auf Unverständnis stößt die beabsichtigte Anhebung der Mehrleistungsabschläge deshalb, weil eine Verlagerung von bestimmten Behandlungen an Zentren wie Unikliniken eigentlich erwünscht sei.

Die politische Absicht, Mengenzuwächse einzugrenzen, werde technisch schlecht umgesetzt und "trifft uns besonders", kritisierte Professor Michael Albrecht , Erster Vorsitzender des VUD.

Die vorgesehene Streichung des Versorgungszuschlags werde die Universitätskrankenhäuser zusätzlich 75 Millionen Euro aus dem Budget ziehen, so Heyder.

25 bis 75 Millionen Euro gingen darüber hinaus dadurch verloren, dass bei sinkenden Sachkosten die Fallpauschalen schneller als bisher angepasst werden sollen.

Auch positive Aspekte

Zwar sehe das Gesetz auch positive Dinge vor, von denen die Unikliniken profitieren können. Die Zuschläge für die Notfallversorgung, für Qualität und medizinische Zentren seien natürlich zu begrüßen. Doch sei nicht damit zu rechnen, dass sie vor der nächsten Bundestagswahl eingeführt werden.

Viel Zeit erfordere es beispielsweise, objektive und rechtssichere Indikatoren für die Messung von Qualität zu erstellen. "Das kann alles gar nicht schnell gehen, und ist auch vom Volumen her noch völlig offen", so Heyder.

Das Dilemma sei, dass die im Gesetz vorgesehenen Verbesserungen "deutlich später als die Kürzungen kommen".

Für wenig erfolgversprechend hält die Deutsche Hochschulmedizin auch das im Koalitionsvertrag festgehaltene Ziel, die Vergabe von Medizinstudienplätzen künftig "zielgerechter als bisher" vorzunehmen.

Im Gespräch dabei ist immer wieder, der Abiturnote des Bewerbers bei der Auswahl weniger Gewicht zuzumessen.

Kein Rezept gegen den Landärztemangel

Eine solche Änderung werde nicht dazu führen, dass mehr Ärzte auf dem Land tätig werden, sagte Professor Heyo Kroemer, Präsident des MFT. Notwendig sei vielmehr, die ärztliche Tätigkeit auf dem Land anders zu strukturieren, den Wünschen des Arztnachwuchses anzupassen.

"Viele sind bereit, aufs Land zu gehen, wenn sie nicht alleine dort arbeiten müssen, wenn sie nicht das geschäftliche Risiko tragen müssen und geregelte Arbeitszeiten haben", so Kroemer.

Seit Einführung der DRG hätten im ambulanten und stationären Bereich nie so viele Ärzte gearbeitet wie derzeit. Dennoch herrsche auf dem Land zunehmend Ärztemangel. "Wir haben ein Allokationsproblem", so Heyder.

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