Hamburg

"Skandalöse Zustände" in manchen Psychiatrien

Bei manchen Psychiatrien in Hamburg liegt einiges im Argen, hat die Aufsichtskommission vor knapp zwei Jahren festgestellt. Ihr Bericht ist jetzt erst an die Öffentlichkeit gedrungen - und sorgt für Wirbel auf politischer Ebene.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
"Besonders problematisch": Die Aufsichtskommission hat schlechte Noten an Einrichtungen verteilt.

"Besonders problematisch": Die Aufsichtskommission hat schlechte Noten an Einrichtungen verteilt.

© Christoph Schmidt/dpa

HAMBURG. Eng, dunkel, fehlende Aufenthaltsräume und Freiflächen: So wird der geschlossene Bereich einer Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie eines Hamburger Krankenhauses in einem Bericht der Aufsichtskommission über die psychiatrischen Einrichtungen in Hamburg beschrieben.

Die festgestellten Mängel sind nicht neu, sondern wurden von der Kommission wiederholt kritisiert. Im Bericht werden für die festgestellten Zustände in der Abteilung Begriffe wie "besonders problematisch" oder "hoch problematisch" verwendet und Verbesserungsvorschläge gemacht.

Auch in anderen Krankenhäusern der Metropole findet und benennt die Kommission Defizite. So wird etwa berichtet, dass die Mitarbeiter einer Station am UKE sich "in die Psychiatrie wie vor 20 bis 30 Jahren zurückgefallen" vorkommen.

Grund dort ist die dem UKE auferlegte Aufnahmeverpflichtung auch für psychisch auffällige Obdachlose beim Hauptbahnhof. Als Folge könne man auf der geschlossenen Station mit 21 Betten kein therapeutisches Milieu mehr bieten, lautet die im Bericht aufgenommene Kritik von Mitarbeitern.

Bericht lag seit 2014 vor

Der Bericht, in dem solche wichtigen Kritikpunkte aufgelistet sind, beschäftigt derzeit die Hamburger Öffentlichkeit. Neben den eigentlichen Defiziten wird auch über den Zeitpunkt der Veröffentlichung kontrovers diskutiert.

Denn bei den im Bericht enthaltenen Schilderungen aus den Psychiatrien handelt es sich um Beobachtungen der Kommission aus den Jahren 2012 und 2013, abgeliefert wurde der 24-seitige Bericht im Jahr 2014.

Dann fertigte der Senat eine lange Stellungnahme, die schließlich zwei Tage vor Weihnachten 2015 der Bürgerschaft mitgeteilt wurde. Der Bericht der Aufsichtskommission war bis dahin der Öffentlichkeit nicht bekannt - inzwischen wurde in Hamburg gewählt und die regierende Koalition aus SPD und Grünen bestätigt.

Zahnarzt Dr. Wieland Schinnenburg, Sprecher der FDP-Fraktion in der Bürgerschaft, hält diese Zeitverzögerung und die Reaktion von Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) für "fast noch schlimmer als die Mängel".

"Es liegt der Verdacht nahe, dass die Gesundheitssenatorin mit der Veröffentlichung des Berichts so lange gewartet hat, bis sie bei zwei wichtigen Mängeln eine Verbesserung melden konnte. Es könnte auch eine Rolle gespielt haben, dass eine Veröffentlichung vor der Bürgerschaftswahl nicht gewünscht war", sagt Schinnenburg.

Deniz Celik, gesundheitspolitischer Sprecher der Linken, hält es für "entlarvend", dass der Bericht erst kurz vor den Weihnachtsferien veröffentlicht wurde.

"Auf viele der genannten Missstände geht der Senat gar nicht erst ein - geschweige denn, dass er sie in den seitdem verstrichenen 15 Monaten abgestellt hätte", sagt Celik. Er fordert, die nach seiner Interpretation "skandalösen Zustände" zu beheben.

Mängel listet der Bericht in Einrichtungen unterschiedlicher Träger auf. Für manche wird von einer verschlechterten Personalsituation berichtet, in anderen wird eine bessere oder großzügigere Gestaltung der Außenflächen angemahnt.

Mängel sind nur teilweise behoben

In einigen Einrichtungen sei die Auslastung "sehr hoch", zum Teil wird auch auf die Hygienesituation abgehoben. Der Bericht beinhaltet neben solchen Mängeln auch positive Veränderungen. In der Mitteilung des Senats sind Beispiele genannt, in denen die angesprochenen Mängel inzwischen behoben sein sollen.

In einigen Fällen, insbesondere bei der baulich konzeptionellen Gestaltung, seien "zukunftstaugliche Lösungen nur mittels umfassender Um- bzw. Neubaumaßnahmen zu erzielen".

In Einzelfällen werden deshalb mögliche Interimsmaßnahmen geprüft, heißt es in der Stellungnahme des Senats.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Fatale Verzögerungstaktik

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