Bandscheiben-Skandal

11.000 defekte Prothesen eingesetzt?

Am Klinikum Leer in Niedersachsen haben Patienten fehlerhafte Bandscheiben-Prothesen erhalten - bei vielen wurden sie wieder entnommen. Kassen rechnen damit, dass mehr als 11.000 defekte Implantate in mehreren Krankenhäusern bei Patienten eingesetzt worden sind.

Veröffentlicht:

LEER/HANNOVER. In Niedersachsen könnte ein neuer Medizinprodukteskandal seinen Ursprung nehmen.

Wie das Klinikum Leer informiert, habe es bei verschiedenen Patienten, die zwischen 2010 und 2014 aus bestimmten Chargen eine Bandscheibenprothese des britischen Herstellers Ranier Technology eingesetzt bekamen, Revisionsoperationen vornehmen müssen.

Grund sei eine dringende Sicherheitsmitteilung, verbunden mit einem Produktrückruf gewesen, die Ranier im Februar und April 2014 veröffentlicht habe, die aber "dem Klinikum pflichtwidrig erst im zweiten Quartal 2015 zur Kenntnis gegeben wurde".

Ein Nachlassen des Leistungsverhaltens der Bandscheibenprothese setze, so die Klinik unter Berufung auf Ranier, klinisch zwischen dem dritten und vierten Jahr nach der operativen Einsetzung ein.

Es komme dabei dann je nachdem zu einem deutlichen Verlust an Bandscheibenhöhe mit einer Wanderung der Prothese. Die Quote für Revisionseingriffe liegt laut Ranier bei 17,9 Prozent.

AOK fordert strengeres Zulassungsprozedere

"Wir versuchen aktuell, die Lieferlisten des insolventen Herstellers zu erhalten. Derzeit wissen wir noch nicht, welche weiteren Kliniken von Ranier beliefert wurden, wo weitere Patienten direkt betroffen sein könnten", erläuterte Carsten Sievers, Presseprecher der AOK Niedersachsen, auf Nachfrage der "Ärzte Zeitung".

Die Kaufmännische Krankenkasse Hannover berichtete der "Ostfriesen Zeitung" von über 11.000 Ranier-Prothesen, die Patienten von Ersatzkassen eingesetzt worden seien.

Nach Angaben der AOK Niedersachsen haben 17 ihrer versicherten Patienten im Klinikum Leer ein Implantat aus revisionsbedürftigen Chargen erhalten. Weitere 20 Patienten trügen ein Implantat, für das es die dringende Sicherheitswarnung nicht zuträfe.

"Für den Marktzugang benötigte der Hersteller für dieses Hochrisikoprodukt lediglich eine CE-Kennzeichnung. Dieser Vorfall macht aber einmal mehr deutlich, dass es ein geregeltes Zulassungsverfahren auf der Basis kontrollierter, randomisierter klinischer Studien geben muss", folgert Sievers als Konsequenz aus den Vorfällen.

Genau in puncto dieser Studien klaffen die Vorstellungen der Medizintechnikbranche und die der Vertreter von Selbstverwaltung und IQWiG noch weit auseinander.

Sie könnten im Rahmen der Nutzenbewertung von Medizinprodukten auf Basis des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes ergänzten Paragrafen 137h SGB V für Medizinprodukte der Klassen IIb und III obligat werden. (maw)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: sPGA-Ansprechen über zwei Jahre

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [1]

Psoriasis-Therapie bei Kindern und Erwachsenen

PDE-4-Hemmer: erste orale Systemtherapie für Kinder − auch bei besonderen Manifestationen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Amgen GmbH, München
CRP-Wert-unabhängig therapieren mit Ixekizumab

© Sebastian Kaulitzki / stock.adobe.com

Axiale Spondyloarthritis (axSpA)

CRP-Wert-unabhängig therapieren mit Ixekizumab

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Lilly Deutschland GmbH, Bad Homburg v. d. H.
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Alter für Indikationsimpfung herabgesetzt

STIKO ändert Empfehlung zur Herpes zoster-Impfung

Lesetipps
Mammografie-Screening bei einer Patientin

© pixelfit / Getty Images / iStock

Prävention

Mammografie-Screening: Das sind Hindernisse und Motivatoren

Patient mit Hypoglykämie, der seinen Blutzuckerspiegel mit einem kontinuierlichen Blutzuckermesssensor und einer Smartphone-App überwacht.

© martenaba / stock.adobe.com

Trotz Schulung

Die wenigsten Diabetes-Patienten reagieren adäquat auf Hypoglykämie