Exoskelette

Gröhe plädiert für medizinische Robotik in der Reha

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe lässt sich das Exoskelett HAL präsentieren. Die medizinische Robotik bietet für ihn eine Reihe von Chancen.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Professor Thomas A. Schildhauer erläutert Gesundheitsminister Hermann Gröhe die Bewegungstherapie mit dem Roboteranzug HAL.

Professor Thomas A. Schildhauer erläutert Gesundheitsminister Hermann Gröhe die Bewegungstherapie mit dem Roboteranzug HAL.

© Volker Daum/Bergmannsheil

BOCHUM. Die Bundesregierung setzt große Hoffnungen in die Entwicklung von robotergestützten Systemen, die Ärzte bei der Patientenversorgung unterstützen. "Es ist unser Interesse, dass diese Systeme schnell den Weg in die Regelversorgung finden", sagte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe diese Woche bei dem Symposium "Mensch und Roboter: Chance oder Konflikt im medizinischen Umfeld" am Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum Bergmannsheil in Bochum.

Die Politik wolle Innovationen fördern, gerade wenn es darum geht, die Selbstständigkeit der Menschen zu stärken, betonte Gröhe. Die medizinische Robotik bietet für ihn nicht nur Chancen bei der medizinischen Behandlung, sondern auch bei Prävention und Rehabilitation. Gleichzeitig bringe sie ein hohes Maß an Transparenz in die Medizin.

Ball liegt bei der Selbstverwaltung

Die Bundesregierung habe die Rahmenbedingungen für die Erprobung medizintechnischer Innovationen verbessert. Die Letztentscheidung über die Erprobungsregelungen liege zwar bei den Selbstverwaltungsgremien. "Wir werden als Politik aber weiter beobachten, ob die Regelungen funktionieren."

500 Euro

kostet eine Trainingseinheit für rückenmarkverletzte Patienten mit dem aktiven Exoskelett-System HAL am Zentrum für Neurorobotales Bewegungstraining des Klinikums Bergmannsheil. In Bochum trainieren die Patienten drei Monate lang an fünf Tagen in der Woche mit dem Roboteranzug. Das Klinikum Bergmannsheil gehört zur Unternehmensgruppe der BG Kliniken, mit 13 Einrichtungen einem der größten Klinikverbünde in Deutschland.

Um Innovationen zu stärken, hat die Regierung im Paket des gerade vom Bundestag beschlossenen Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetzes das Prinzip der Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt von den Krankenhäusern auf die Hochschulambulanzen ausgeweitet – auch die Ambulanzen können also künftig innovative Methoden einsetzen, solange sie nicht ausdrücklich verboten sind.

Am Zentrum für Neurorobotales Bewegungstraining des Klinikums Bergmannsheil erproben Mediziner das in Japan entwickelte neurologisch gesteuerte Exoskelett-System HAL (Hybrid Assistive Limb) bei rückenmarkverletzten Patienten. Solche Forschung werde in Deutschland "dringendst" gebraucht, sagte der Minister.

Grundsatz Reha vor Pflege im Fokus

Die bessere Verzahnung von der Rehabilitation mit anderen Versorgungsbereichen ist ihm ein besonderes Anliegen. Die Bedeutung des Grundsatzes Rehabilitation vor Pflege sei noch nicht in den Köpfen angekommen. Gröhe sieht hier die berufsgenossenschaftlichen Einrichtungen in einer Vorreiterrolle. "Wir können im Gesundheitswesen vom Engagement der Berufsgenossenschaften mit ihrem ganzheitlichen Blick auf die Behandlungsverläufe profitieren."

Im Unterschied zu anderen Exoskeletten, die als High-Tech-Hilfsmittel das passive Gehen von Patienten unterstützen, sei HAL direkt an das Nervensystem der Patienten angeschlossen und so ein aktives System, erläuterte Professor Thomas Schildhauer, Ärztlicher Direktor des Bergmannsheil und Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik. "HAL kann die Bewegung unterstützen, wenn Nervensignale durchkommen."

In Bochum trainieren die Patienten drei Monate lang an fünf Tagen der Woche mit dem Roboteranzug. Sowohl bei Patienten, deren Querschnittslähmung mindestens ein Jahr zurückliegt, als auch bei akut Erkrankten habe man in Bochum bereits Erfolge mit HAL erzielt, berichtete Schildhauer. Bei der Gehgeschwindigkeit und der Gehstrecke seien sehr positive Ergebnisse erzielt worden. "Wir haben bei ausnahmslos allen Patienten eine funktionale Verbesserung gesehen, aber in unterschiedlichen Graden."

Evidenz bleibt wichtigstes Kriterium

In Bochum werden die Roboter als Trainingsmittel eingesetzt, nicht als Hilfsmittel, betonte er. "Das Wichtigste ist, dass wir chronisch kranke Patienten nicht aufgeben." Ziel der Therapie sei die Unabhängigkeit der Patienten. Bei der Rehabilitation von Rückenmarksverletzten ist ein Umdenken notwendig, findet Schildhauer. "Wir haben die Patienten viel zu lange aktiv und komfortabel im Rollstuhl gehalten." Gefragt seien stattdessen der Mut und der Wille, sie aus dem Rollstuhl zu holen.

Der Arzt sieht ein Problem darin, dass Neuentwicklungen wie HAL zurzeit nur Versicherten der Berufsgenossenschaften oder Privatversicherten offenstehen. Seiner Meinung nach müsste es Möglichkeiten geben, Sprunginnovationen schneller in die GKV einzuführen. "Brauchen wir nicht andere Bewertungs- und Antragsverfahren als die, die wir aus der Pharma-Industrie kennen?", fragte er Gröhe.

Genau aus diesen Gründen seien die Erprobungsregelungen ausgeweitet worden, antwortete der Minister. Er machte klar, dass die Regularien im Gesundheitswesen nicht ausgehebelt werden können, um konkrete Innovationen schneller verfügbar zu machen. "Als Politik werden wir nicht in Einzelentscheidungen der Selbstverwaltung eingreifen", stellte er klar. "Wir haben transparente Spielregeln."

Die Beschleunigung neuer Verfahren dürfe nicht auf Kosten der Evidenz erfolgen, betonte Gröhe. "Wenn es schief geht, nimmt man für den entstandenen Schaden den Steuerzahler als Garant." Eine Trainingseinheit mit HAL kostet 500 Euro.

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