Cybersecurity

MedTech rüstet sich für den Kampf gegen Hacker

Medizinprodukte wie Insulinpumpen sollen Patienten Komfort bieten und einfach zu steuern sein. Doch die Lösungen müssen immer höheren IT-Sicherheitsanforderungen genügen, um sie vor Manipulationen durch Unbefugte zu schützen.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Hacker versuchen teils sehr hartnäckig, in fremde Systeme einzudringen. Potenzielle Ziele können auch vernetzte Medizinprodukte sein.

Hacker versuchen teils sehr hartnäckig, in fremde Systeme einzudringen. Potenzielle Ziele können auch vernetzte Medizinprodukte sein.

© Tomasz Zajda/fotolia.com

FRANKFURT/MAIN. "Es gibt auch bei vernetzten Medizinprodukten kein System ohne Sicherheitslücken!": Diese ernüchternde Bilanz zog der Web-Entwickler Hannes Molsen, bei dem Lübecker Medizin- und Sicherheitstechnikkonzern Dräger Product Security Manager, vor Kurzem in Frankfurt bei einer Veranstaltung des Verbands der Elektrotechnik (VDE) zur Cybersecurity in der Medizin.

Die Medizintechnikbranche sieht sich als potenzielles Ziel von Cyberkriminellen. Für Aufregung bei Patienten gesorgt hatte zum Beispiel der Fall eines großen US-amerikanischen Medizintechnikanbieters, der im vergangenen Jahr seine Kunden in den USA und Kanada gewarnt hat, dass eine seiner Insulinpumpen gehackt werden könnte.

Es sei eine Sicherheitslücke entdeckt worden, der Chip in der Pumpe könne demnach – auch wenn dies als unwahrscheinlich einzuschätzen sei – von Dritten manipuliert werden, teilte das Unternehmen mit.

Designfehler sind nicht auszubügeln

Wie Molsen aus der Praxis berichtete, könnten bei vernetzten Medizinprodukten in jeder Phase von der Architektur respektive dem Design über die Entwicklung und Dokumentation, der Installation und Konfiguration bis hin zum Betrieb Sicherheitslücken auftreten.

Die kritischste Phase sei allerdings die erste. "Entstehen während des Aufsetzens der Architektur und des Designs eines Medizinproduktes Fehler, so lassen sich diese im Laufe der weiteren Entwicklung in der Regel nicht mehr ausbügeln", verdeutlichte Molsen.

In dieser Konzeptphase müssten die zuständigen Mitarbeiter der Medizintechnikunternehmen nicht nur die Sicherheit des künftigen Produktes bedenken, sondern auch die Faktoren Verwendbarkeit, Wartbarkeit, Kosteneffizienz, Einfachheit und Funktionalität – angesichts gedeckelter Budgets oft mehr als ein Spagat. Allerdings, so Molsen, sei die Cybersicherheit kein Zufallsergebnis, sondern resultiere aus einem umfassenden Risikomanagement.

Angriffsszenarien durchgespielt

Teil dieses Risikomanagements sei es wiederum, sich die verschiedenen Bedrohungsszenarien durch Cyberkriminelle vor Augen zu führen. Wichtig für die Branche: Gesundheitsdaten rücken immer mehr in den Fokus von Hackern.

 Dass sich Cyberkriminelle längst nicht nur auf den Gesundheitsmarkt in den USA konzentrieren, belegt eine Studie des Anbieters digitaler Sicherheitsdienste gemalto, wonach Cyberkriminelle allein im Jahr 2015 weltweit 707 Millionen Datensätze erbeuteten. 23 Prozent der Angriffe und nahezu ein Fünftel aller erbeuteten Daten seien dabei auf den Gesundheitsbereich entfallen. Intel Security hat recherchiert, dass in den USA medizinische Datensätze für Preise zwischen drei US-Cent und 2,40 US-Dollar verkauft werden.

Wie Molsen weiter ausführte, sei für Medizintechnikanbieter bei der Entwicklung von potenziell von Cyberkriminellen bedrohten Lösungen die Einbindung externer Experten unabdingbar – um einer Betriebsblindheit vorzubeugen.

Professionelle, unabhängige Penetrationstest von entsprechend qualifizierten Hackern zeigten schonungslos jede Sicherheitslücke auf, die dann noch vor der Marktreife des Produktes behoben oder zumindest angegangen werden könne.

Hohe rechtliche Auflagen

Medizintechnikanbieter bewegen sich mit Blick auf ihre Produkte in einem engen Regelungskorsett, betonte die Juristin Dr. Julia Vorländer. So müssten sie umfangreichen Pflichten genügen, die sich aus dem Medizinproduktegesetz und der Europäischen Medizinprodukteverordnung, der Medizinproduktebetreiberverordnung, dem Bundesdatenschutzgesetz und der im Mai nächsten Jahres greifenden EU-Datenschutz-Grundverordnung sowie dem Gesetz über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik ergeben. Letzteres regelt die Sicherungs-, Melde- und Mitwirkungspflichten der Hersteller.

Klärungsbedarf in puncto Verantwortlichkeit und Haftungsfragen im Zusammenhang mit zum Beispiel gehackten Insulinpumpen mahnte der auf die CE-Kennzeichnung und FDA-Zulassung von aktiven Medizinprodukten spezialisierte Diplom-Ingenieur Hans Christian Wenner aus Rüsselsheim an.

Für ihn befinde sich die Welt längst im Zeitalter des Internet of Medical Things, d.h. die Verbindung zwischen der physischen und der virtuellen Welt der Dinge werde auch auf Medizinprodukte angewendet. "Dinge, also auch Medizingeräte, sind permanent online, ohne dass der Benutzer direkt interagiert", verdeutlichte Wenner.

Damit seien sie ein potenzielles Einfallstor für Cyberkriminelle – und das rund um die Uhr, das ganze Jahr über. "Ein angepasstes und zeitgemäßes Risikomanagement wird im Internet of Medical Things der zentrale Erfolgsfaktor sein", mahnte Wenner vor allem auch kleinere Medizintechnikunternehmen, sich ernsthaft und nachhaltig der Cybersecurity ihrer Produkte zu widmen.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Der Gesundheitsdialog

© Janssen-Cilag GmbH

J&J Open House

Der Gesundheitsdialog

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

© Springer Medizin

Johnson & Johnson Open House-Veranstaltung am 26. Juni 2025 beim Hauptstadtkongress

Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
J&J Open House beim Hauptstadtkongress

© [M] Springer Medizin Verlag

Video zur Veranstaltung

J&J Open House beim Hauptstadtkongress

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Manchmal kommt Künstliche Intelligenz ziemlich abstrakt daher. Doch es gibt zunehmend auch konkrete Anwendungen, sogar für Arztpraxen.

© 3dkombinat - stock.adobe.com

Praxisorganisation

Mit KI zu mehr Entlastung fürs Praxisteam

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Leitliniengerechte Therapie mit DiGA

© Paolese / stock.adobe.com (Model mit Symbolcharakter)

Neuer Therapieansatz bei erektiler Dysfunktion

Leitliniengerechte Therapie mit DiGA

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Kranus Health GmbH, München
Maquet Otesus OP-Tischsystem

© Getinge Deutschland GmbH

Unternehmen im Fokus

Flexible und ökonomische OP-Tischsysteme

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Getinge Deutschland GmbH, Rastatt
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

In der Niederlassung

Körperliche Untersuchung vor einem Ultraschall – sinnvoll oder nicht?

Lesetipps
Eine Hand mit aggressiver Geste.

© Doodeez / Stock.adobe.com

Kommunikationstrainer gibt Tipps

Aggressive Patienten: So können Ärztinnen und Ärzte deeskalieren

Prof. Carolin Schneider in einem Hörsaal

© Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste | Bettina Engel-Albustin 2022

Junge Professorin

Carolin Schneider: Weibliches Vorbild in der Forschung

Ein Gefäß mit atherosklerotischen Plaques

© Tatiana Shepeleva / stock.adobe.com

Primärprävention

Empfehlungen aktualisiert: LDL-Cholesterin wann und wie senken?