Europäisches Einheitspatent

Mehr Schutz für Innovationen

Die Medizintechnikunternehmen führen seit Jahren die Spitze der Patentanmeldungen beim Europäischen Patentamt an. Die innovative Branche könnte von dem angedachten Einheitspatent profitieren. 2018 soll zunächst das Einheitliche Patentgericht in Paris starten.

Von Christina Bauer Veröffentlicht:
12263 Patentanmeldungen aus dem Bereich der Medizintechnik verzeichnete das Europäische Patentamt in München im vergangenen Jahr.

12263 Patentanmeldungen aus dem Bereich der Medizintechnik verzeichnete das Europäische Patentamt in München im vergangenen Jahr.

© picture alliance / dpa

VENEDIG. Wertschutz für Erfinder, lautet die Idee der Patentierung. Das betrifft auch medizinische Innovationen. Diagnostika, Medizinprodukte oder Medikamente werden beim Europäischen Patentamt (EPA) mit Hauptsitz in München jedes Jahr reihenweise eingereicht. "Seit fünf oder sechs Jahren ist Medizintechnik der Bereich, in dem wir beim Europäischen Patentamt die meisten Patentanmeldungen haben", sagte EPA-Präsident Benoît Battistelli vor Kurzem bei der Preisverleihung des Europäischen Erfinderpreises 2017 in Venedig gegenüber der "Ärzte Zeitung".

Wichtig für Erfinder: Die Erteilung eines Patents ist nur der erste Schritt zum Patentschutz. Sie müssen nämlich anschließend in jedem Land ein Validierungsverfahren durchlaufen. Das erfordert Zeit und wiederholte Ausgaben für Übersetzungen, Gebühren und gegebenenfalls juristische Beratung. Daher haben viele Erfinder letztlich nur in drei oder vier Ländern realen Patentschutz. Die Idee, das zu ändern und ein "richtiges" Europäisches Einheitspatent zu schaffen, gibt es seit Jahrzehnten.

Bis zu 20 Länder ziehen am Strang

Wie Margot Fröhlinger beim Europäischen Erfinderpreis berichtete, gelangte sie vor etwa zehn Jahren wieder konkret auf die Agenda. Die Expertin leitet seit 2012 die EPA-Abteilung für Einheitspatent und multilaterale Angelegenheiten. Inzwischen seien die Vorarbeiten vorangekommen, das angestrebte, einheitliche Einreichungsverfahren solle bald etabliert werden. Fest mit dem Einheitspatent verknüpft ist Fröhlinger zufolge das Einheitliche Patentgericht (EPG), um strittige Fälle zu verhandeln. Es wurde 2013 per Vereinbarung beschlossen, ab Juli 2017 soll es nun eingerichtet werden.

Die Arbeit kann dann voraussichtlich Anfang 2018 beginnen, zunächst in einer provisorischen Übergangsphase. Hauptsitz der ersten Instanz soll nach EPA-Angaben Paris sein, mit Außenstellen in München und London. Zudem soll es regionale Kammern und ein Berufungsgericht geben. Das Dokument zur Ratifizierung haben, so Fröhlinger, bisher 12 EU-Länder unterzeichnet. Weitere vier seien im parlamentarischen Abstimmungsverfahren, sechs in Vorbereitung. Insgesamt sei also damit zu rechnen, dass 20 Länder vom Start des EPG an mitziehen werden.

Keine EU-Institution

Beim EPG handle es sich nicht um eine EU-Insititution, sondern um ein supranationales Gericht. Es solle einen weiteren, qualitativen Vorteil mitbringen: "Am EPG sollen ausschließlich spezialisierte Patentanwälte eingesetzt werden", so Fröhlinger. Bisher sei das nur in einigen wenigen Ländern der Fall, insbesondere Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien und den Niederlanden. Die Komplexität des Patentrechts erfordere aber eine thematische Spezialisierung, sonst würden Patentverfahren sehr kompliziert.

Mit dem Einheitspatent werde es in Europa dann drei Formen von Patenten geben. Das bisherige Europäische Patent, mit Validierung in den Einzelländern. Parallel dazu gebe es noch die nationalen Patente, die direkt auf Landesebene angemeldet werden. Beim neuen Einheitspatent setzen die Zuständigen auf mehr Einfachheit, Effizienz und geringere Kosten. Dadurch soll es in den nächsten Jahren vor allem das derzeitige Europäische Patent nach und nach ablösen. Letztlich soll das auch langwierige und konträre Verfahren bei Patentstreitigkeiten vermeiden.

Wie Fröhlinger anmerkte, habe sich schon öfter gezeigt, dass patentrechtliche Entscheidungen zum selben Sachverhalt von Land zu Land sehr unterschiedlich ausfallen können. Abgesehen von den beschriebenen Vorteilen gibt es dabei aber wohl auch einen möglichen Haken für Erfinder. Denn: Geht ein Verfahren um eine Anerkennung vor dem EPG für sie negativ aus, würde diese Entscheidung ebenfalls sofort in allen Ländern gelten. Damit wäre das Patent also europaweit ungültig, das betreffende Produkt nicht geschützt. Einen bedeutsamen Wirtschaftsfaktor stellen sogenannte patentintensive Wirtschaftszweige jedenfalls schon jetzt. Einer Studie des EU-Amts für geistiges Eigentum und des EPA zufolge generieren sie jährlich zwei Milliarden Euro. Das entspricht 15 Prozent der Wirtschaftsleistung der EU.

In dem Gespräch beim diesjährigen Europäischen Erfinderpreis in Venedig bekräftigte EPA-Präsident Benoît Battistellier die Annahme, dass sich der Trend zur Dominanz der Medizintechnikbranche bei den Patentanmeldungen weiter fortsetzt. Als Schwerpunkt sah er dabei die Integration medizinischer Anwendungen und informationsverarbeitender Technologien, mit immer mehr digitalen Anteilen. Laut EPA gab es 2016 in der Medizintechnik 12.263 Patentanmeldungen. Ebenfalls unter den zehn häufigsten Bereichen befanden sich Arzneimittel (5754 Anmeldungen) und Biotechnologie (5744 Anmeldungen). Insgesamt wurden über 159.000 Patente angemeldet, knapp 96.000 wurden erteilt.

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