Medizintechnik

Deutschland muss Digitalisierung voranbringen

Am 12. November beginnt die Medica. Zum Start der Messe wird gewarnt: Bei der Digitalisierung besteht das Risiko, dass Deutschland den Anschluss verliert. Das zeigen Ergebnisse einer Studie zur Gesundheit 4.0.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Die Digitalisierung wird die Qualität in der Patientenversorgung verbessern, schätzen Experten.

Die Digitalisierung wird die Qualität in der Patientenversorgung verbessern, schätzen Experten.

© santiago silver / stock.adobe

DÜSSELDORF. Deutschland braucht eine nationale Strategie, damit die großen Potenziale der Digitalisierung für die Gesundheitswirtschaft genutzt werden können.

„Der Wandel läuft noch zu langsam, zu unkoordiniert und ohne ausreichende politische Unterstützung“, beklagte Jörg Mayer, Geschäftsführer des Verbandes der Hightech-Industrie (Spectaris) vor dem Start der Medica. Die Medizinmesse findet vom 12. bis 15. November in Düsseldorf statt.

Spectaris hatte anlässlich der Medica gemeinsam mit der Messe Düsseldorf eine Studie bei der Unternehmensberatung Roland Berger in Auftrag gegeben: „Gesundheit 4.0. – Warum Deutschland Leitmarkt der digitalen Gesundheitswirtschaft und Medizintechnik werden muss und was jetzt zu tun ist.“

Für die Untersuchung wurden Vertreter von rund 200 Medizintechnik-Unternehmen aller Größen befragt. Hinzu kamen Interviews mit Leistungserbringern, Start-ups, Kassenvertretern und Politikern. „Wir haben festgestellt, dass die Digitalisierung ein ganz wichtiges Zugpferd in der Gesundheitswirtschaft sein wird“, berichtete Mayer.

16 Prozent Wachstum pro Jahr

So rechnen die Medizintechnik-Hersteller damit, dass sie 2028 einen Umsatz in Höhe von 15 Milliarden Euro allein durch neue digitale Produkte und Dienstleistungen machen werden.

Das wäre ein Drittel des für dann prognostizierten Gesamtumsatzes der Branche. Die Wachstumsraten im digitalen Segment werden mit 16 Prozent pro Jahr veranschlagt. Für 2018 rechnen die Medizintechnikverbände mit einem Umsatz von 30 bis 31 Milliarden Euro.

Laut der Studie kann die Digitalisierung in der Branche in den nächsten fünf bis zehn Jahren netto 10.000 neue Arbeitsplätze schaffen, das wäre ein Plus von 8 Prozent. Das Problem: „Es wird nicht leicht sein, diese Stellen zu besetzen“, weiß Mayer.

Ein Drittel der befragten Unternehmen geht davon aus, dass sich durch die Digitalisierung die Qualität der Patientenversorgung in den kommenden fünf Jahren verbessern wird. Zwei Drittel rechnen für die kommenden zehn Jahre mit einem solchen Prozess.

Deutschland muss aufholen

Damit es so weit kommt, müssen die in der Digitalisierung liegenden Potenziale aber auch genutzt werden. „Es besteht das Risiko, dass Deutschland den Anschluss verliert, die Patienten schlechter versorgt werden und die Medizintechnik-Unternehmen Marktanteile verlieren“, warnte der Spectaris-Geschäftsführer.

Die Studie nennt Belege für den Handlungsdruck. So investieren nicht einmal 30 Prozent der Unternehmen und der Krankenhäuser mehr als 2,5 Prozent ihres Umsatzes in Digitalisierungsprojekte.

Zwei Drittel der Teilnehmer an der Befragung stuften die Gesundheitswirtschaft als gering digitalisiert ein. 98 Prozent der Medizintechnik-Unternehmen wünschen sich mehr Unterstützung durch die Politik.

Länder wie die Niederlande, Dänemark und Schweden hätten die infrastrukturellen Voraussetzungen für die Digitalisierung des Gesundheitswesens geschaffen, sagte Dr. Thilo Kaltenbach, Senior Partner bei Roland Berger Pharma & Healthcare Competence Center.

Deutschland müsse endlich aufholen. „Die Politik muss aktiv in die Entwicklung einer E-Health-Strategie einsteigen“, forderte er. „Es geht darum, Deutschland als Leitmarkt zu positionieren.“

Bundeskanzleramt soll steuern

Die Macher der Studie plädieren dafür, dass das Bundeskanzleramt die nationale E-Health-Strategie koordiniert und federführend steuert und dabei das Gesundheits-, das Wirtschafts- und das Forschungsministerium sowie die zentralen Verbände einbindet.

Das ist eine von insgesamt zehn Handlungsempfehlungen, die sie zur Digitalisierung der Gesundheitswirtschaft erarbeitet haben.

Dazu gehören auch die Einführung der elektronischen Patientenakte und die Priorisierung der Digitalisierung in den Unternehmen. „Die Digitalisierung muss in den Medizintechnik-Unternehmen Chefsache werden“, betonte Mayer.

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