Heimärzte

Pflege profitiert von Arbeit auf Augenhöhe

Verständnis für die Arbeit des anderen und viel Kommunikation: In einigen Pflegeheimen arbeiten Ärzte und Pfleger Hand in Hand. Einer berichtete von seinen positiven Erfahrungen.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Dr. Markus Jäger-Rosiny.

Dr. Markus Jäger-Rosiny.

© privat

BREMEN. Heimärzte können nicht nur die Versorgung der Heimbewohner verbessern - auch das Pflegepersonal profitiert. Kommunikation auf Augenhöhe unterstützt die Pflege und die Gesundheit der Bewohner. Das zeigen die Erfahrungen von zwei niedersächsischen Heimärzten. Beide kooperieren mit Ärztenetzen.

"Die Kooperation mit den Pflegekräften bekommt eine neue Qualität - auch für die Pflegekräfte", berichtet Hausarzt Dr. Markus Jäger-Rosiny vom Ärztenetz "elan" in Winsen an der Luhe von seinen Erfahrungen.

Der Hausarzt betreut in seinen wöchentlichen zweistündigen Visiten insgesamt 30 Bewohner in drei verschiedenen Heimen. "Die Pflegekräfte haben die Visiten dann schon genau vorbereitet", sagt Jäger-Rosiny. "Natürlich sind sie viel näher dran an den Bewohnern als ich, deshalb ist das Gespräch so wichtig."

Die Stationsleitung und der Hausarzt gehen Patient für Patient strukturiert durch und prüfen Medikation, Gewicht oder ob eine Zahnbehandlung ansteht und deshalb kein Marcumar mehr gegeben werden darf."Wir betrachten die Kurven und die Karten und visitieren gemeinsam am Bett", sagt Jäger-Rosiny.

Für Pflegende und Arzt bedeutet dies ständige Kommunikation und zugleich Kontinuität, "und das diszipliniert uns alle", wie Jäger-Rosiny sagt. Die Pflegenden haben das letzte Blutbild sowie die Medikationen der Bewohner parat.Damit entfallen auch die Anrufe in der Praxis kurz nachdem der Arzt das Haus verlassen hat, um "noch mal etwas wegen eines anderen Bewohners zu fragen."

Kurz: Die Versorgung entspannt sich. Dadurch bleiben die Alltagsverhältnisse für die Bewohner stabil: weniger Krankenhauseinweisungen, weniger Besuche in einer Arztpraxis, weniger Notfälle.

"Regelmäßigkeit ist enorm wichtig für die Bewohner", sagt der Hausarzt. "Natürlich bedeutet das auch für die Pflegenden eine kontinuierlichere Arbeit."

Lob vom Pflegeforscher

Zugleich dienen die gemeinsamen Visiten als Fortbildungsveranstaltungen für das Pflegepersonal. "Wenn ich Wundverbände anlege oder ein Bewohner einen Katheter braucht, sind die Mitarbeiterinnen des Hauses immer dabei und lernen Schritt für Schritt, die Versorgung selber zu übernehmen", sagt der Hausarzt.

Inzwischen seien die Pflegerinnen "sehr entspannt" mit ihren neuen Aufgaben, fühlen sich sicher und geschult. "Heute verschreibe ich die Sache nur noch und die Pflegerinnen legen zum Beispiel die Verbände an."

Ähnliches berichtet die Heimärztin Katharina Alex. Sie wurde vom Lingener Ärztenetz "Genial" angestellt und macht ausschließlich Heimbesuche. Alex sieht 120 bis 180 Heimbewohner in der Woche.

Auch dort sind die Pflegenden und die Ärztin aufeinander angewiesen. "Es ist erstaunlich, auf welch hohem Niveau gerade die examinierten Pflegenden vielerorts arbeiten", berichtet Alex.

Zusammen mit den Pflegenden konnte Alex schon manchen Bewohner neu einstellen. "Zum Beispiel fragen Angehörige die Pflegenden, warum ihre alten Eltern immer schlafen", so Alex. "Wir überprüfen dann die Medikation und sehen, dass da ein alter Mensch drei verschiedenen Neuroleptika erhält. Da können wir etwas ändern. Überhaupt begreifen wir durch die Kooperation die Heimbewohner besser."

"Vorbildlich" nennt der Bremer Pflegeforscher Professor Norbert Schmacke die Initiativen in Lingen und Winsen. "Tatsächlich sind gemeinsame Visiten immer noch sehr selten." Auch leide die Pflege darunter, wenn Ärzte in Heimen nicht kontinuierlich oder zeitlich unpassend erscheinen.

Noch sei das Unverständnis zwischen Pflegekräften und Ärzten vielerorts groß. "In einer Studie haben wir festgestellt, dass beide, Ärzte und Pflegende, beanspruchen, ganzheitlich zu arbeiten."

Klar, dass da für die jeweils andere Profession wenig Platz bleibt. Aber wo Pflege und Ärzte sich aufeinander einlassen, "sprechen sie mit hohem Respekt voneinander", sagt Schmacke.

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