Arztsitz-Aufkauf

"Vor sich hindümpelnde Praxen" unter Beobachtung

Der umstrittene Arztsitz-Aufkauf in überversorgten Gebieten erhitzt weiterhin die Gemüter. Wie man dem drohenden Entzug der Zulassung entgeht, erläuterte Medizinrechtsexperte Achim Röschmann bei einer Seminarveranstaltung der Deutschen Apotheker- und Ärztebank.

Von Jürgen Stoschek Veröffentlicht:
Flaute im Wartezimmer? – Schlecht ausgelastete Praxen dürften künftig als erste vom Arztsitz-Aufkauf betroffen sein.

Flaute im Wartezimmer? – Schlecht ausgelastete Praxen dürften künftig als erste vom Arztsitz-Aufkauf betroffen sein.

© fischer-cg.de / fotolia.com

MÜNCHEN. In Zeiten, in denen der Gesetzgeber darüber nachdenkt, vermeintlich überflüssige Praxen vom Netz nehmen zu lassen, kommt der Praxiserweiterung und Nachfolgesicherung durch Kooperationen eine besondere Bedeutung zu.

Laut dem geplanten Versorgungsstärkungsgesetz sollen die KVen künftig regelmäßig prüfen, ob Praxen ihren Versorgungsauftrag noch erfüllen, berichtete der Münchner Fachanwalt für Medizinrecht Achim Röschmann bei einer Seminarveranstaltung der Deutschen Apotheker- und Ärztebank in Rosenheim.

Betroffen von einer solchen Überprüfung wären, so Röschmann, vor allem "vor sich hindümpelnde Praxen", denen dann der Entzug einer halben oder ganzen Zulassung drohen würde.

Ausschüsse jetzt kritischer?

Um dem drohenden Entzug der Zulassung zu entgehen, sei die Kooperation beispielsweise in Form einer örtlichen oder überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) oder als Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) ein probates Mittel, um die Praxen für die Zukunft fit zu machen, erklärte Röschmann.

Wie bereits mehrfach berichtet, soll der Zulassungsausschuss den Antrag auf Nachbesetzung einer freigewordenen Praxis in gesperrten Zulassungsbereichen künftig ablehnen, wenn eine Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist.

 Bisher heißt es im Gesetz, der Zulassungsausschuss kann ablehnen. Für Juristen bedeute die kleine Änderung der Gesetzesformulierung von "kann" in "soll", dass der Zulassungsausschuss eine Nachbesetzung ablehnen muss, wenn die entsprechenden Voraussetzungen gegeben sind, erläuterte Medizinrechtler Röschmann.

Auch bisher müssen die Zulassungsausschüsse schon prüfen, welche Auswirkungen es hätte, wenn die Praxis nicht nachbesetzt wird. Bei dieser "kleinen Bedarfsprüfung", so Röschmann, orientieren sich die Zulassungsausschüsse in aller Regel am Verhältnis der Fallzahl der betreffenden Praxis zum Fachgruppendurchschnitt.

Röschmann: "60 Prozent könnten eine kritische Grenze sein. Das muss der Zulassungsausschuss aber in jedem Einzelfall beurteilen".

Auch wenn sich die Zulassungsausschüsse im Nachbesetzungsverfahren jede einzelne Praxis in ihrem regionalen Umfeld anschauen, könnte allein die Soll-Bestimmung schon dazu führen, dass die Zulassungsausschüsse die Erforderlichkeit einer Nachbesetzung in Zukunft kritischer sehen, vermutet Röschmann.

Völlig offen sei diesem Zusammenhang die Frage der Entschädigung. Zwar sei die Rede davon, dass nach dem Verkehrswert entschädigt werden soll. "Doch was geschieht, wenn es beispielsweise noch einen Zehn-Jahres-Mietvertrag gibt?"

Im Durchschnitt sicher

Praxen, die einigermaßen im Fachgruppendurchschnitt liegen, hätten hingegen keinen Anlass, sich Sorgen zu machen, gab Röschmann Entwarnung. Denn bei diesen Praxen könne man mit Fug und Recht davon ausgehen, dass ein Bedarf besteht.

Außerdem werde es auch künftig keine Prüfung der Erforderlichkeit einer Praxis geben, wenn ein Ehegatte, Lebenspartner oder Kind die Praxis übernimmt oder wenn der Bewerber angestellter Arzt des bisherigen Vertragsarztes oder selbst Vertragsarzt der Gemeinschaftspraxis ist.

Allerdings könnte es sein, dass ein angestellter Arzt künftig mindestens drei Jahre in der Praxis tätig gewesen sein muss, um eine Anstellung in eine Zulassung umwandeln zu können, berichtete Röschmann mit Verweis auf das noch laufende Gesetzgebungsverfahren.

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