Gastbeitrag

Falsches Attest kann für den Arzt teuer werden

Es kommt nicht oft vor, dass ein Arzt für ein falsches oder fahrlässig erstelltes Attest zur Rechenschaft gezogen wird. Wenn aber doch, dann kann das für ihn möglicherweise drastische Folgen haben.

Von Frank Stebner Veröffentlicht:
Leichtfertig unterschrieben? Zu schnell ausgestellte Gesundheitszeugnisse können für Ärzte unangenehme Folgen haben.

Leichtfertig unterschrieben? Zu schnell ausgestellte Gesundheitszeugnisse können für Ärzte unangenehme Folgen haben.

© Bernd_Leitner / Fotolia.com

Gesundheitszeugnisse und Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen (AU) sind keine Nebensächlichkeiten. Ärzte übernehmen mit ihrer Ausstellung eine große Verantwortung - vor allem wegen ihrer Tragweite für Versicherte und ihrer sozialrechtlichen sowie wirtschaftlichen Bedeutung.

Im hektischen Praxisalltag kann schnell die Entscheidung für eine AU fallen, die bei tiefer gehender Prüfung anders ausfallen würde. Solche Situationen können zum Beispiel bei schwer überprüfbaren Beschwerden wie Kopfschmerzen entstehen, gerade dann, wenn die ärztliche Bescheinigung auch vom Patienten (nachdrücklich) gewünscht wird.

Vielleicht mag auch das Motiv hinzukommen, Patienten nicht zu verlieren - und bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen sind derartige Bescheinigungen meist ausgeklammert. Nur im Ausnahmefall erfolgen Kontrollen durch arztbezogene Prüfungen (Paragraf 106 Abs. 2 SGB V) oder den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK).

Doch ganz auf der sicheren Seite sind Ärzte damit noch nicht. So nimmt die Berufsordnung (Paragraf 25 Satz 1 der Musterberufsordnung) Ärzte in die Pflicht. "Bei der Ausstellung ärztlicher Gutachten und Zeugnisse haben Ärztinnen und Ärzte mit der notwendigen Sorgfalt zu verfahren und nach bestem Wissen ihre ärztliche Überzeugung auszusprechen", heißt es dort.

Das wurde vor kurzem einem Arzt vor dem Heilberufsgericht beim Verwaltungsgericht in Gießen zum Verhängnis (Az.: 21 K 381/09). Das Gericht verurteilte ihn zu einer Geldbuße, weil er einem Patienten unzutreffend bestätigte, regelmäßig in psychotherapeutischer Behandlung zu sein und alle 14 Tage Gespräche zu führen In einem Gerichtsverfahren erwies sich unter anderem diese Tatsache als falsch, die Richter informierten daraufhin die Ärztekammer.

Noch problematischer kann es werden, wenn die Staatsanwaltschaft involviert wird. Paragraf 278 Strafgesetzbuch bestraft das Ausstellen formell echter, aber inhaltlich unrichtiger Gesundheitszeugnisse, ahndet also ausnahmsweise die sogenannte "schriftliche Lüge". Dabei genügt es bereits, wenn irgendeine wesentliche Feststellung nicht im Einklang mit den Tatsachen oder anerkannten Lehren der medizinischen Wissenschaft steht, selbst dann, wenn das Gesamtergebnis am Ende zutreffend ist. Keine Rolle spielt, ob und wem das falsche Attest nützt.

Zu "Gesundheitszeugnissen" zählen unter anderem die AU-Bescheinigung, Durchgangsarztberichte, gutachterliche Äußerungen, ärztliche Bescheinigungen (Atteste) mit Darstellung der Krankengeschichte, Befunden und Empfehlungen.

Vorgaben für Vertragsärzte ergeben sich aus dem Bundesmantelvertrag für Ärzte (BMV-Ä) und der AU-Richtlinie des GBA (zum Beispiel AU Paragraf 31). Die Vorgaben müssen ernst genommen werden, allein schon unter dem Gesichtspunkt, dass bei Verstößen ein Disziplinarverfahren drohen kann.

Wichtig ist unter anderem Paragraf 5 Absatz 3 zur Rückdatierung der AU: "Die Arbeitsunfähigkeit soll für eine vor der ersten Inanspruchnahme des Arztes liegende Zeit grundsätzlich nicht bescheinigt werden. Eine Rückdatierung des Beginns der AU auf einen vor dem Behandlungsbeginn liegenden Tag ist ebenso wie eine rückwirkende Bescheinigung über das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit nur ausnahmsweise und nur nach gewissenhafter Prüfung und in der Regel nur bis zu zwei Tagen zulässig."

Verstöße gegen Regeln bei dem Ausstellen von Gesundheitszeugnissen können Beihilfe zum Betrug sein und sind natürlich auch in höchstem Maße unethisch. Gefährdet wird in erheblichem Maß auch die allgemeine ärztliche Glaubwürdigkeit.

Paragraf 106 Absatz 3 a SGB V enthält zudem eine ausdrückliche Schadensersatznorm: Hat ein Arzt eine AU festgestellt, obwohl die medizinischen Voraussetzungen dafür nicht vorlagen, können der Arbeitgeber, der zu Unrecht Arbeitsentgelt gezahlt hat, und die Krankenkasse, die Krankengeld gezahlt hat, vom Arzt Schadensersatz verlangen. Das gilt jedenfalls dann, wenn die AU grob fahrlässig oder vorsätzlich festgestellt worden ist, obwohl die Voraussetzungen dafür nicht vorgelegen haben. Das heißt, dass dem Vertrauen auf die Richtigkeit von ärztlichen Gesundheitszeugnissen ein hoher Stellenwert beigemessen wird.

Alle Gesundheitszeugnisse müssen deshalb sorgfältig erwogen und formuliert werden. Eine Dokumentation ist ergänzend notwendig. In heiklen Fällen (etwa fehlende Verhandlungsfähigkeit vor Gericht) sind Verweise auf eine amtsärztliche Untersuchung oder über die Krankenkasse eine Einschaltung des MDK (Paragraf 275 Abs. 1 Nr. 3. b) SGB V) zu erwägen.

Zur Person: Dr. Frank A. Stebner ist Fachanwalt für Medizinrecht in Salzgitter.

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