Gutachter im Gynäkologen-Prozess

Videos von vaginaler Untersuchung völlig unüblich

Im Prozess gegen einen Gynäkologen, der heimliche Intimfotos und -videos von Patientinnen angefertigt haben soll, sind jetzt betroffene Frauen gehört worden. Zudem beschäftigte sich das Gericht mit der Frage, ob die Video-Aufnahmen der vaginalen Untersuchung medizinisch indiziert waren.

Von Ingeborg Bördlein Veröffentlicht:
Einem Frauenarzt aus Schifferstadt (re) wird vorgeworfen, fast 2000 Patientinnen in der Umkleidekabine und im Untersuchungsraum abgelichtet zu haben.

Einem Frauenarzt aus Schifferstadt (re) wird vorgeworfen, fast 2000 Patientinnen in der Umkleidekabine und im Untersuchungsraum abgelichtet zu haben.

© Daniel Reinhardt / dpa

FRANKENTHAL. Ein 58-jähriger Frauenarzt aus Schifferstadt soll jahrelang Patientinnen durch medizinisch nicht indizierte Untersuchungstechniken mit der Vaginalsonde sexuell missbraucht haben. Vor Gericht verhandelt werden jetzt zehn Fälle.

Um die Frauen im Zeugenstand zu schonen, schloss die 6. Strafkammer des Landgerichts Frankenthal die Öffentlichkeit an beiden Verhandlungstagen voriger Woche aus.

Im Mittelpunkt der beiden Prozesstage standen Videosequenzen, die der Angeklagte während der vaginalen Ultraschalluntersuchung seiner Patientinnen angefertigt und säuberlich archiviert haben soll.

Als medizinischer Sachverständiger hatte der geschäftsführende Oberarzt der Mainzer Uni-Frauenklinik, Professor Peter Brockerhoff, anhand der Videos zu beurteilen, ob die Untersuchungen lege artis durchgeführt wurden.

Videos "absolut nicht üblich"

Der Gutachter hatte das Vorgehen des Schifferstadter Gynäkologen im Zuge des Ermittlungsverfahrens als verdächtig und medizinisch nicht indiziert beurteilt.

Während des Verfahrens wehrte sich der Angeklagte vehement gegen diese Einschätzung. Der Sachverständige hielt an seinen Zweifeln fest.

Die Untersuchungsmethoden seien für ihn unverständlich, doch räumte er ein, dass man darüber fachlich unterschiedlicher Meinung sein könne.

Dass der Angeklagte die vaginalen Ultraschalluntersuchungen im Video aufgezeichnet hat, sei absolut nicht üblich, bekräftigte er.

Eine Praxismitarbeiterin hatte bei ihrer Vernehmung zum Prozessauftakt eine der Videoaufnahmen mit den Worten kommentiert, sie halte dies "schlichtweg für Pornografie".

Die betroffenen Patientinnen, die als Nebenklägerinnen im Prozess auftreten, nehme dies emotional alles sehr mit, sagte der Schifferstadter Rechtsanwalt Friedrich Willand zur "Ärzte Zeitung".

Auch die Entschuldigung des Arztes zu Prozessbeginn hätten sie ihm nicht abgenommen. "Die hätte viel eher kommen müssen", sei die einhellige Meinung.

So sei die Einlassung des angeklagten Arztes von den meisten als Winkelzug wahrgenommen worden. "Die Patientinnen haben große Mühe gehabt, währenddessen ruhig zu bleiben", so der Anwalt.

Willand vertritt insgesamt 150 Frauen in Zivilverfahren wegen Schmerzensgeldforderungen gegen den Gynäkologen.

Patientinnen haben Angst: Stehen die Aufnahmen im Netz?

Außerdem muss sich der Angeklagte wegen "Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen" in 1471 Fällen verantworten.

Er soll von 2008 bis 2011 heimlich mehr als 35.000 Fotos vom Genitalbereich seiner Patientinnen sowie Aufnahmen der unbekleideten Frauen gemacht und dokumentiert haben.

Viele Frauen hätten immer noch Angst, dass der Beschuldigte die Aufnahmen ins Netz gestellt haben könnte, sagte Anwalt Willand, obgleich dieser das verneint habe.

Willand: "Die Angst ist da und die betroffenen Frauen müssen endlich damit abschließen können."

Zeugenaussagen der ermittelnden Polizeibeamten stehen noch aus. Mit Spannung werden die Aussagen des psychiatrischen Gutachters erwartet. Die betroffenen Frauen erhoffen sich davon eine Erklärung für das, was man ihnen angetan habe.

Davon wird abhängen, ob der frühere Arzt, dessen Approbation derzeit ruht, voll zur Verantwortung gezogen werden kann.

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