Tx-Skandal

Scheinadresse brachte Patient eine Leber

Der Patient hatte keinen Wohnsitz in einem der Eurotransplant-Länder und damit nur eine geringe Chance auf ein Spenderorgan. Doch dann lieferte ein Göttinger Arzt ihm eine Scheinadresse - neue absurde Details aus dem Göttinger Transplantationsskandal.

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Uniklinik Göttingen: Mit der Arztadresse zur neuen Leber.

Uniklinik Göttingen: Mit der Arztadresse zur neuen Leber.

© Julian Stratenschulte / dpa

GÖTTINGEN. Im Prozess um den Transplantationsskandal am Göttinger Universitätsklinikum hat sich das Gericht am Montag mit dubiosen Praktiken bei der Registrierung eines ausländischen Patienten beschäftigt.

Der Patient soll fälschlicherweise gegenüber der Organvermittlungsstelle Eurotransplant (ET) als "resident" gemeldet gewesen sein, obwohl dieser in keinem der angeschlossenen Länder seinen Wohnsitz hatte.

Um den Patienten trotzdem auf die Warteliste für ein Spenderorgan bringen zu können, wurde er unter der Adresse eines Arztes angemeldet, der damals in der Abteilung des angeklagten Transplantationschirurgen arbeitete.

Der Trick mit der Scheinadresse in Göttingen funktionierte: Im Januar 2011 bekam der Patient eine Leber transplantiert.

Da der Arzt von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen will, hatte das Gericht eine Polizistin als Zeugin geladen, die den Mediziner im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen vernommen hatte.

Der Arzt habe ihr berichtet, dass er ein Landsmann des angeklagten Chirurgen sei und auch schon an dessen vorheriger Arbeitsstätte am Universitätsklinikum Regensburg mit diesem zusammengearbeitet habe. Dieser sei auch sein Doktorvater gewesen.

Patient hat nie bei Arzt gewohnt

Der Arzt habe eingeräumt, dem Patienten seine Adresse zur Verfügung gestellt zu haben, sagte die Polizeibeamtin. Nach Angaben des Arztes habe der Patient tatsächlich nie bei ihm gewohnt. Er habe sich dieses Prozedere selbst ausgedacht, um die Erreichbarkeit des Patienten sicherzustellen.

Nach Ansicht der Untersuchungskommission der Bundesärztekammer besteht der "dringende Verdacht nicht nur der Status-Falschmeldung, sondern auch fast aller relevanter Angaben".

Die Prüfer gehen davon aus, dass Laborwerte manipuliert und falsche Angaben zu Dialysen gemacht wurden, um den Patienten auf einen vorderen Platz der Warteliste zu bringen. Außerdem habe bei dem Patienten eine "deutliche Kontra-Indikation" bestanden, er hätte demnach auch aus medizinischer Sicht gar nicht transplantiert werden dürfen.

Manipulationen mit Scheinadressen hatte es auch schon gegeben, als der Angeklagte noch in Regensburg tätig war.

Damals waren dort vier Empfänger von Leber-Lebendspende-Transplantaten aus Jordanien fälschlicherweise gegenüber Eurotransplant als "residents" gemeldet worden. Drei von ihnen waren unter der Anschrift des Universitätsklinikums Regensburg gemeldet. (pid)

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