Zwangsunterbringung

BGH stärkt Freiheitsrechte von Betreuten

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KARLSRUHE. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat die Freiheitsrechte von Betreuten gestärkt. Eine Zwangsunterbringung in einer psychiatrischen Klinik ist nur zulässig, wenn "konkrete Anhaltspunkte für eine akute Suizidgefahr oder den Eintritt eines erheblichen Gesundheitsschadens" bestehen, heißt es in einem Ende März veröffentlichten Beschluss. Die Sorge planloser Zugfahrten reiche nicht.

Die Klägerin leidet an einem schizophrenen Residuum, das mit Antriebslosigkeit, Verwahrlosung und affektiver Verflachung einhergeht - insbesondere wenn sie nicht regelmäßig ihre Medikamente nimmt. Sie stand unter Betreuung und war bereits wiederholt in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden.

Auf Antrag der Betreuerin stimmte das Amtsgericht Göppingen im Oktober 2011 erneut einer Unterbringung für gut zehn Monate bis Ende August 2012 zu. Die Beschwerde der Frau blieb vor dem Landgericht Ulm ohne Erfolg.

Nur im "geschützten Raum" einer Klinik sei sichergestellt, dass die Frau regelmäßig ihre Medikamente nehme. Ohne die Medikamente drohe aber eine Verschlimmerung ihrer Krankheit; Verwahrlosung und "Hilflosigkeit im Alltag" nähmen weiter zu, meinten die Instanzgerichte.

Doch damit wurde die Frau in ihren Rechten verletzt, stellte nun der BGH fest. Der mit der Zwangsunterbringung verbundene Freiheitsentzug sei "ein schwerwiegender Grundrechtseingriff".

Dieser setze "eine ernstliche und konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Betreuten voraus". Die "formelhafte Behauptung" einer Selbstschädigungsgefahr reiche nicht aus.

Selbst die Gefahr einer völligen Verwahrlosung rechtfertige die Unterbringung nur, wenn es "objektivierbare und konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt eines erheblichen Gesundheitsschadens" gibt. Zudem dürfe die Gefahr nicht anders als durch die Unterbringung abwendbar sein, heißt es im Karlsruher Beschluss.

Im konkreten Fall habe der Sachverständige lediglich festgestellt, dass die Frau bei abgesetzten Medikamenten dazu neige "planlos mit dem Zug ins Ausland zu fahren oder wiederholt bei verschiedenen Krankenhäusern hilfesuchend vorstellig zu werden". Das aber seien keine Anhaltspunkte für einen "erheblichen Gesundheitsschaden", betonte der BGH. (mwo)

Urteil des Bundesgerichtshofs, Az.: XII ZB 58/12

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