Transplantationsskandal

Chirurg hat Prüfung verschwiegen

Der Vorstand der Uniklinik Göttingen war nicht über eine Anhörung durch die Prüfkommission informiert.

Veröffentlicht:

GÖTTINGEN. Der Vorstand des Göttinger Uniklinikums wusste nicht, dass die Bundesärztekammer den im Transplantationsskandal angeklagten Chirurgen zu einer Anhörung geladen hatte. Dabei ging es um den Fall eines russischen Patienten, der im Mai 2011 eine Leber transplantiert bekommen hatte.

Das wurde am Dienstag im Prozess vor dem Göttinger Landgericht deutlich. Dort sagte das Vorstandsmitglied der Göttinger Universitätsmedizin, Dr. Martin Siess, aus.

Er habe im November 2011 durch einen Anruf der BÄK davon erfahren, dass eine Prüfungskommission den Fall eines russischen Patienten untersuche. Der Anruf sei als so dringend bewertet worden, dass man ihn aus einer Vorstandsitzung herausgeholt habe, berichtete Siess.

Die Ärztekammer habe ihn um Unterstützung gebeten, weil die Kommission den Eindruck hatte, dass der verantwortliche Transplantationschirurg den Prüfern Unterlagen vorenthalte.

Prozess-Ende nicht absehbar

Einen Tag nach dem Anruf habe er den Chirurgen darauf hingewiesen, dass die fehlenden Unterlagen sofort übersandt werden müssten, sagte Siess. Auf die Frage, warum die Ärztekammer ihn vorgeladen und warum er dies gegenüber dem Vorstand verschwiegen habe, habe der Chirurg gesagt, dass er "nichts Unrechtes" getan, aber vielleicht einen Fehler gemacht habe."Ich hatte den Eindruck, dass er nicht erkannt hat, was die Zeichen der Zeit sind", sagte Siess.

Der Vorstand habe dem Chirurgen angeboten, von sich aus in Urlaub zu gehen, bis der Fall geklärt sei. Hiervon habe dieser jedoch keinen Gebrauch gemacht. Daraufhin habe man ihn mit sofortiger Wirkung beurlaubt und ihm den Zugang zu allen Akten gesperrt.

Der Vorstand sei von einem Einzelfall ausgegangen. Als die Ärztekammer im Juni 2012 eine Liste mit mehreren Dutzend weiteren Verdachtsfällen vorlegte, sei man völlig überrascht gewesen.

Der damalige Leiter der Göttinger Transplantationschirurgie muss sich seit August vergangenen Jahres wegen versuchten Totschlages in elf Fällen sowie vorsätzlicher Körperverletzung mit Todesfolge in drei Fällen vor Gericht verantworten.

Ein Ende des Prozesses ist nicht absehbar. Die Kammer hat inzwischen Verhandlungstermine bis Mitte Oktober anberaumt. (pid)

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Kommentare
Dr. Wolfgang P. Bayerl 06.07.201421:51 Uhr

ganz wichtig ist das Wort Skandal!

Und so lange man eine Lebertransplantation als versuchten Todschlag bezeichnet, ist auch nachvollziehbar, dass ein Prozessende nicht absehbar ist. Wer kann sich so etwas schon gefallen lassen.
Ich drücke ihm den Daumen.

Es ist nicht immer alles skandalös, was als Skandal bezeichnet wird
und endet manchmal mit einem Freispruch wie unser zurückgetretener Bundespräsident mit seiner angeblichen Bestechung von, viel noch??? so 700 Euro?, oder sogar noch mehr?
Skandalös!

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