KVWL

"Richtgrößenprüfung schreckt den Nachwuchs ab!"

Bei den Vereinbarungen zu den Arzneimittel-Verordnungen auf Landesebene sieht KVWL-Chef Thomas Müller Ärzte und Krankenkassen in der Pflicht.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:

KÖNIGSWINTER. Die Ablösung der Richtgrößenprüfungen ist aus Sicht der Vertragsärzte eines der positiven Elemente des Versorgungs-Strukturgesetzes.

"Die Richtgrößenprüfung ist nicht das richtige Instrument zur Steuerung der Arzneimittelversorgung, aber ein abschreckendes Instrument für den Nachwuchs", sagte Thomas Müller, Geschäftsführer der KV Westfalen-Lippe (KVWL), beim "Petersberger Forum" in Königswinter bei Bonn.

Müller warnte allerdings vor überzogenen Erwartungen. "Der wolkenfreie Himmel wird dadurch nicht aufgehen." Auf der Landesebene werde es weiter Vereinbarungen zu den Arzneimittel-Verordnungen geben.

Dabei müssten Ärzte und Krankenkassen ihre Handlungsspielräume nutzen. Sie könnten einzelne Wirkstoffgruppen analysieren und gemeinsam Zielvereinbarungen definieren.

Auf die Umsetzung kommt es an

Die KVWL wolle die Information der Mitglieder über die Verordnungen weiter professionalisieren. "Im ersten Quartal 2016 startet unsere neue Arzneimittel-Trendmeldung mit Quoten für Leitsubstanzen, Generika, Biosimilars und anderen", kündigte er an. Bei diesen und anderen positiven Elementen des Gesetzes komme es jetzt darauf an, wie die Selbstverwaltung sie umsetze, betonte Müller.

Insgesamt zog der KVWL-Geschäftsführer ein gemischtes Fazit der jüngsten Gesundheitsreform. Als positiv bewertete er auch die Förderung der Arztnetze, die Förderung der Weiterbildung Allgemeinmedizin und den Strukturfonds.

Bei der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) kritisierte er den Wegfall der schweren Verlaufsformen als Zugangskriterium. Müller sieht es als Problem, dass es für die Bildung von ASV-Teams keine Anreize gibt. Das gelte generell für diesen Bereich. "Es werden viele Forderungen gestellt, aber keine Anreize gesetzt."

Erwartungsgemäß bemängelte Müller, dass die KVen auch künftig bei der hausarztzentrierten Versorgung außen vor bleiben. Auch die Termin-Servicestellen fanden in seinen Augen keine Gnade.

Schon heute würden die Vertragsärzte bei medizinischer Notwendigkeit sich darum bemühen, dass Patienten zeitnah versorgt werden.

Das sieht Dr. Martin Krasney, Justiziar des GKV-Spitzenverbands, anders. "Die Termin-Servicestellen kommen nicht von ungefähr, es hat in der Praxis Probleme gegeben."

Das lasse sich durch Tests mit Online-Terminvergaben nachweisen. Wenn man sich bei manchen Hautärzten durch die Angaben klicke, erscheine am Schluss die Frage nach dem Versichertenstatus.

"Als Privatpatient erhält man einen Termin in drei Tagen, als GKV-Patient muss man vier bis sechs Monate warten", berichtete er. Die Servicestellen sollten als Chance für Patienten verstanden werden, schneller an Termine zu kommen, sagte Krasney.

Positiv bewertete auch er den Innovationsfonds. Die Umsetzung habe begonnen, der Innovationsausschuss habe sich im Oktober konstituiert. "Hier liegt viel Potenzial, das man nutzen kann."

Es sei klar, dass es rund um die Mittelvergabe für Projekte zu innovativen Versorgungsformen und der Versorgungsforschung Diskussionen geben werde. Deshalb sei gute Vorbereitung entscheidend: "Angesichts der klagefreudigen Akteure müssen Entscheidungen wasserdicht sein."

"Hebammenverband intransparent"

Als "Sündenfall" geißelte er den Regressverzicht bei Hebammen. Die Kassen dürfen künftig nur noch bei vorsätzlich oder grob fahrlässig verursachten Schäden die Behandlungs- und Pflegekosten zurückfordern.

In der Diskussion über die hohen Prämien für die Berufshaftpflicht der freiberuflichen Hebammen, für die die Kassen zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen, warf Krasney dem Deutschen Hebammenverband Intransparenz vor.

Es sei den Kassen nicht gelungen, Einblick in den Gruppen-Versicherungsvertrag zu erhalten, berichtete er. "Wir haben die Versicherungsbedingungen angefordert, wir haben die Schiedsstelle eingeschaltet, aber wir haben sie nicht bekommen."

Mehr zum Thema

Verordnung nicht zugelassener Allergene

Regress wegen Therapieallergenen? BAS lässt Kassen freie Hand

Verhandlungen mit den Krankenkassen

Entspannung beim Thema Regresse in Nordrhein

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Richtig handeln bei Infektionen

Drei Mythen bei der Antibiotika-Therapie auf dem Prüfstand

Lesetipps
Fruktose-haltige Getränke

© Daxiao Productions / stockadobe.com

Klimawandel

Fruchtsaft schadet Nieren bei großer Hitze