Praxisnachfolge

Steckt im neuen Zulassungsverfahren eine Falle?

Einmal angestoßen, lässt sich das seit Januar geltende Nachbesetzungsverfahren nicht mehr aufhalten, kritisieren mehrere Zulassungsausschüsse. Doch haben sie damit wirklich Recht? Und was passiert, wenn der gefundene Nachfolger dem Praxisinhaber nicht passt?

Von Ingo Pflugmacher Veröffentlicht:
Schlüsselübergabe? Bislang konnte der Praxisinhaber das Bewerbungsverfahren um seine Praxis stoppen.

Schlüsselübergabe? Bislang konnte der Praxisinhaber das Bewerbungsverfahren um seine Praxis stoppen.

© Kzenon / fotolia.com

BONN. Innerhalb der Ärzteschaft, aber auch bei den Geschäftsstellen einiger Zulassungsausschüsse, herrscht seit Anfang des Jahres Unsicherheit in Sachen Praxisnachfolge.

Der Grund: In Gebieten mit Zulassungsbeschränkungen entscheiden seit Januar die Zulassungsausschüsse auf Antrag eines Vertragsarztes oder seiner Erben darüber, ob die KV den Sitz ausschreibt oder nicht.

Es ist unklar, ob das Verfahren zur Ausschreibung eines Vertragsarztes zur Nachbesetzung durch den antragstellenden Arzt, also den derzeitigen Praxisinhaber, noch beendet werden kann. Bislang war das möglich.

Aufgrund des neu gestalteten Nachfolgezulassungsverfahrens erklären nun aber einige Zulassungsausschüsse, sobald eine Ausschreibung erfolgt sei, könne der Antrag nicht mehr zurückgenommen werden. Doch haben sie damit tatsächlich Recht?

Das Verfahren soll dem Arzt dienen

Es lohnt sich, die Details des neuen Verfahrensablaufes anzusehen. Wenn ein Arzt zugunsten eines Nachfolgers auf seine eigene Zulassung verzichten will, so entscheidet - wie erwähnt - der Zulassungsausschuss zunächst auf Antrag des Arztes (oder seiner Erben oder Praxispartner), ob ein Nachbesetzungsverfahren überhaupt durchgeführt wird.

Lehnt der Zulassungsausschuss ein Verfahren ab, hat die KV dem Arzt eine Entschädigung zu zahlen. Hält der Zulassungsausschuss die Nachbesetzung aber für sinnvoll, beschließt er dies in Form eines Verwaltungsaktes, der dem Praxisinhaber zugestellt wird und ein Monat nach Zustellung bestandskräftig wird.

Nach allgemeiner Meinung endet jedes verwaltungsrechtliche Verfahren mit Bestandskraft des beantragten Bescheides. Danach kann aber der verfahrenseinleitende Antrag nicht mehr zurückgenommen werden.

Diese Konsequenz des neuen Verfahrens wurde bei der Formulierung des Paragrafen 103 Absatz 3a SGB V offensichtlich übersehen. Bisher handelte es sich um ein mehrstufiges Verfahren, jetzt sind es zwei unterschiedliche Verwaltungsverfahren.

Zuerst wird entschieden, ob überhaupt eine Ausschreibung erfolgt, im zweiten Verfahren erfolgt dann die Bewerberauswahl. Dieses zweite Verfahren setzt aber nach dem Gesetzeswortlaut keinen erneuten Antrag des Arztes voraus, er kann also auch keinen Antrag zurücknehmen.

Grundsatzentscheidung des Bundessozialgerichts 1999

Wegen dieser rechtlichen Konstellation äußern viele Zulassungsausschüsse, der "Antrag auf Nachbesetzung" könne nach positiver Entscheidung des Ausschusses nicht zurückgenommen werden.

Dies ist zwar vordergründig richtig, das suggerierte Ergebnis ist aber falsch: Man muss sich zunächst vergegenwärtigen, dass das Nachfolgezulassungsverfahren nur existiert, um einem Arzt die Verwertung seiner Praxis durch Verkauf zu ermöglichen.

Er ist also derjenige, dem dieses Verfahren dient und den es schützen soll. Die Nachfolgezulassung flankiert also den Verkauf seiner Praxis.

Dies hat das Bundessozialgericht bereits 1999 in seiner Grundsatzentscheidung (Az.: B 6 KA 1/99 R) festgestellt, in dem es betont, dass der privatrechtliche Verkauf einer Praxis und die öffentlich-rechtliche Nachfolgezulassung ineinandergreifen.

Wenn etwa bei der Ausschreibung zur Nachbesetzung in Gemeinschaftspraxis die übrigen Gemeinschaftspraxispartner keinen Gesellschaftsvertrag mit dem Bewerber abschließen wollen, kann eine Zulassung nicht erteilt werden. Schließlich hat das SG Marburg Ende 2011 (S 12 KA 797/11 ER) festgestellt, dass die Nachfolgezulassung voraussetzt, dass der zuzulassende Arzt auch Käufer der Praxis ist.

Wenn nun der Praxisinhaber ein Nachbesetzungsverfahren nicht mehr beenden könnte, so könnte es zu der Konstellation kommen, dass sich eine Person bewirbt, mit der er aber keinen Kaufvertrag abschließen möchte.

Die Gründe hierfür können vielfältig sein und müssen gar nichts mit dem Kaufpreis zu tun haben. Häufig geht es auch darum, das Lebenswerk der eigenen Praxis an jemanden zu übergeben, von dem man sich - und sei es nur aus subjektiven Gründen - eine dauerhaft erfolgreiche Fortführung verspricht.

Die Lösung steht im Gesetz

Auch die Zulassungsausschüsse stehen in diesem Fall vor Problemen: Wenn der Praxisinhaber erklärt, er habe mit dem Bewerber, den der Ausschuss für geeignet hält, keinen Kaufvertrag geschlossen, dürfen sie ihn nicht zulassen, da er in diesem Fall die Praxis mangels Erwerbs nicht weiterführen wird.

Die Weiterführung ist jedoch Voraussetzung der Nachfolgezulassung. Auch dürfen die Ausschüsse den Zulassungsbeschluss nicht mit der aufschiebenden Bedingung des Abschlusse eines Kaufvertrags verbinden, da dies nach der vorgenannten Grundsatzentscheidung des BSG unzulässig ist.

Der Zulassungsausschuss müsste so eigentlich feststellen, dass das Verfahren mangels Möglichkeit der Fortführung der Praxis beendet ist.

Hiergegen könnte jedoch wiederum der Bewerber klagen, was zur Folge hätte, dass gegebenenfalls über Jahre der Praxisinhaber nicht erneut ein Nachfolgezulassungsverfahren einleiten könnte.

Motive sind irrelevant

Aber auch das Gesetz bietet - wie so oft - eine probate Möglichkeit: Nach Paragraf 48 SGB X ist ein Verwaltungsakt aufzuheben, wenn eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eintritt.

Solche Tatsachen können auch innere Umstände sein, also der Wille des Praxisinhabers, auf seine Zulassung zu verzichten und die Praxis von einem Nachfolger weiterführen zu lassen.

Erklärt also der Praxisinhaber, die Praxis solle nicht von einem Nachfolger fortgeführt werden, so ist der erste Beschluss des Zulassungsausschusses, mit dem die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens genehmigt wurde, aufzuheben. Damit entfällt die Grundlage für das Verfahren der Bewerberauswahl. Dies ist somit einzustellen.

Der nun nicht zum Zuge kommende Bewerber kann hiergegen nicht klagen, da der ursprüngliche Bescheid über die Einleitung des Ausschreibungsverfahrens ihm gegenüber keine Drittwirkung besaß.

Im Ergebnis bleibt somit der Praxisinhaber Herr des Verfahrens. Er entscheidet wie bisher, ob ein Nachfolger die Praxis übernehmen soll oder nicht. Welche Motive ihn leiten, ist wie bisher irrelevant.

Dr. Ingo Pflugmacher ist Fachanwalt für Medizin- und Verwaltungsrecht und Partner der Anwaltskanzlei Busse & Miessen in Bonn.

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