Compliance-SMS für alkoholkranke Patienten

Das Handy ist in allen Bevölkerungsschichten ein akzeptiertes Hilfsmittel. Das ist eine Chance auch für Therapien. Im Nordosten wird erprobt, wie SMS die Therapietreue von alkoholkranken Patienten fördern können.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Regelmäßig bekommen Studienteilnehmer eine zu beantwortende SMS, die nach ihrem Trinkverhalten fragt.

Regelmäßig bekommen Studienteilnehmer eine zu beantwortende SMS, die nach ihrem Trinkverhalten fragt.

© Marco Mayer/fotolia.com

GREIFSWALD. Forscher wollen im Nordosten Deutschlands in einer klinikübergreifenden Langzeitstudie die Wirksamkeit einer therapeutischen Betreuung von Alkoholkranken per SMS untersuchen.

"Ziel ist die Erhöhung von Abstinenzraten und die Senkung des Alkoholkonsums bei Patienten nach qualifizierter Entgiftung", hat die Uni Greifswald mitgeteilt.

Die Entgiftung erfolgt in vier psychiatrischen Krankenhäusern in Mecklenburg-Vorpommern (Stralsund, Greifswald, Schwerin und Rostock). 468 Patienten sollen an der dreijährigen Studie teilnehmen. Als Vergleichsgruppe dienen Patienten, die ohne SMS eine Standardbehandlung erhalten.

Psychiater hat Federführung bei dem dreijährigen Projekt

"Wir wollen nachweisen, was eine langfristig angelegte Fernbetreuung per SMS für Betroffene bringt", erläuterte PD Dr. Michael Lucht. Der Greifswalder Psychiater hat die Federführung für das klinikübergreifende Projekt übernommen.

"Wir werden als Ansprechpartner über einen längeren Zeitraum bereitstehen, falls wir per SMS ein Hilfesignal vom Patienten erhalten", so Lucht.

Die SMS werden automatisiert über einen PC mit Mobiltelefonsender mehrfach pro Woche verschickt, um Zustandswerte und Hilfsbedarf der Patienten zu erfassen.

Der Computer verschickt zu festgelegten Zeiten die Botschaft: "Werter Herr Schmidt, haben Sie Alkohol getrunken oder benötigen Sie Hilfe? Bitte antworten Sie mit A für Ja oder B für Nein." Die Teilnehmer haben dann 24 Stunden Zeit, um zu antworten.

Wenn ein Teilnehmer mit B antwortet (= kein Hilfebedarf), versendet der Computer eine kurze Antwort mit einem aufmunternden Satz. Lässt der Teilnehmer erkennen, dass er Hilfe benötigt, oder er antwortet nicht innerhalb der Frist, erhält der Betreuer eine E-Mail mit dem Aufruf, seinen Patienten zu kontaktieren, um die Situation zu erfassen und ihm gegebenenfalls zu helfen.

Erste positive Hinweise auf verringerten Alkoholkonsum

In einer Pilotstudie erwies sich das Verfahren laut Uni Greifswald als "sehr gut umsetzbar". Erste Ergebnisse der Pilotstudie 2009 hätten eine hohe Teilnahmetreue der Patienten von 90 Prozent ergeben.

Erste positive Hinweise für eine Verringerung des Alkoholkonsums wurden registriert, gelten aber nicht als Wirksamkeitsnachweis - dieser soll über die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützte Studie erbracht werden.

Die Begleitung von Patienten per SMS wurde auch schon bei anderen Erkrankungen eingesetzt. Zu den Vorteilen zählen die fast vollständige Durchdringung der Gesellschaft mit Zugang zum Mobiltelefon, die Möglichkeit, kurze Botschaften individuell an jeden Ort verschicken zu können, und der geringe Kosten- und Zeitaufwand.

In der Gruppe der alkoholabhängigen Patienten ist die Nutzung von Mobiltelefonen verbreitet und die Erreichbarkeit nach Angaben der Organisatoren gut gesichert.

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