Wenn betreutes Wohnen zur Heimleistung wird

Eine Wohneinrichtung, in der pflegebedürftige Menschen gegen Entgelt pflegerisch betreut werden, ist ein Heim und kein betreutes Wohnen. Das hat das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg entschieden.

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Pflege rund um die Uhr. Wer diesen Dienst anbietet, muss sich an Vorgaben des Heimgesetzes halten.

Pflege rund um die Uhr. Wer diesen Dienst anbietet, muss sich an Vorgaben des Heimgesetzes halten.

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DRANSFELD/LÜNEBURG (pid). Wer Pflege rund um die Uhr anbietet, muss sich dem Heimgesetz unterwerfen. So das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg.

Das Gericht wies mit der Entscheidung den Antrag einer Senioreneinrichtung in einem Ortsteil von Dransfeld (Kreis Göttingen) ab, die Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen einlegen wollte.

Als Heim eingestuft

Das Verwaltungsgericht hatte - in erster Instanz - eine Klage des Betreibers der Seniorenwohnanlage gegen den Landkreis Göttingen abgewiesen.

Die Behörde hatte nach einer Überprüfung die vom Betreiber als "betreutes Wohnen" deklarierte Einrichtung als Heim eingestuft. Die Lüneburger Richter bestätigten nun diese Einstufung. Damit muss sich der Betreiber dem Heimgesetz unterwerfen.

Für Heime gelten besondere Auflagen und sozialrechtliche Vorgaben, sie unterliegen einer ständigen behördlichen Aufsicht. Sie müssen außerdem Fachkräfte beschäftigen und Heimverträge mit den Bewohnern und den Pflegeversicherungen abschließen, so dass andere Vorgaben für die Abrechnung der Leistungen bestehen.

Ursprünglich als Einfamilienhaus gebaut

Eben dies hatte der Kläger durch eine besondere Konstruktion zu verhindern versucht. Er hatte als alleiniger Gesellschafter einer GmbH mit bis zu sechs älteren Menschen Wohnungsmietverträge abgeschlossen.

Die Zimmer befinden sich in einem mehrstöckigen Haus, das er gemeinsam mit seiner Frau ursprünglich als Einfamilienwohnhaus gebaut hatte. Sämtliche Bewohner schlossen außerdem Pflegevereinbarungen mit einem im Kellergeschoss ansässigen Pflegedienst. Neben dem Mietzins rechnete er für diese Pflegeleistungen monatlich zwischen 2000 und 4000 Euro ab.

Der Kläger hatte argumentiert, dass die Einrichtung kein Heim sei, weil Vermietung und Betreuung von unterschiedlichen Anbietern erbracht würden. Sowohl die Göttinger als auch die Lüneburger Richter sahen dies indes anders.

Fast alle Mieter seien dement

Fast alle Mieter seien dement, die meisten von ihnen schwer- und schwerstpflegebedürftig. Damit seien sie nicht in der Lage, ein eigenständiges Leben zu gestalten, wie es für das betreute Wohnen typisch sei. Einige benötigten Pflege rund um die Uhr.

Den im Kellergeschoss ansässigen Pflegedienst hatte der Vermieter zunächst selbst betrieben und später an eine medizinische Dienstleistungsgesellschaft verkauft. Allerdings ist er dort weiter als Bereichsleiter tätig.

Diese Verquickung ist für die Richter ein Indiz dafür, dass es sich nicht um eine Einrichtung des betreuten Wohnens, sondern um ein Heim handelt. Die Bewohner hätten keine andere Möglichkeit, als sich von dem im Haus ansässigen Pflegedienst behandeln zu lassen. Mitarbeiter anderer Pflegedienste hätten keine Chance, sich während der Nachtbereitschaft in dem Gebäude aufzuhalten.

Ähnlich hatte kürzlich das Verwaltungsgericht Kassel entschieden. Eine Alten-WG, so die Richter, müsse sich deutlich von einem Altenheim unterschieden, sonst müssten auch bei der WG Heimmaßstäbe angesetzt werden

Az. 4 LA 306/08

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