Selbstmedikation

Wozu der Hausarzt rät, wird auch gekauft

Rund fünf Milliarden Euro setzen öffentliche Apotheken jährlich mit rezeptfreien Arzneimitteln um. Ein von vielen OTC-Herstellern noch immer unterschätzter Absatztreiber ist die Produktempfehlung der Ärzte.

Christoph WinnatVon Christoph Winnat Veröffentlicht:

NÜRNBERG/BAD HOMBURG. Der Arzt als Empfehler wird für Hersteller rezeptfreier Arzneimittel sowie Nahrungsergänzungsmittel immer wichtiger.

Allerdings klafft derzeit noch eine deutlicher Lücke zwischen Relevanzbekundung und tatsächlicher Aktivierung der Arztempfehlung, etwa durch Anzeigen oder den Pharmaaußendienst.

Das ist ein Resultat einer aktuellen Studie, die der Konsumforscher GfK zusammen mit der Unternehmensberatung Sempora aufgesetzt hat.

Dazu wurden 150 Hausärzte, 200 Apotheker und Vertreter von 45 OTC-Herstellern befragt sowie Verbraucherpanels von GfK ausgewertet.

Höhere Zahlungsbereitschaft

Demnach ließen sich "drei Werthebel der arztgestützten Selbstmedikation" identifizieren, heißt es, "die die absatzstrategische Rolle des Arztes unterstreichen":

Arztempfehlungen bewirken beim Verbraucher eine höhere Zahlungsbereitschaft. Je nach Produkttyp seien die Durchschnittspreise bei von Ärzten initiierten Käufen zwischen fünf und 54 Prozent höher als der Durchschnitt sämtlicher Selbstkäufe in der betreffenden Produktkategorie.

Arztempfehlungen führen im Vergleich zu Apothekerempfehlungen sowohl bei kurativ als auch präventiv eingesetzten OTC-Präparaten zu rund 50 Prozent mehr Packungskäufen pro Jahr.

Arztempfehlungen erweisen sich zudem als besonders nachhaltig: Beinahe zwei Drittel der im Rahmen der Studie ausgewerteten arztgestützten OTC-Käufe folgten einer Empfehlung, die bereits länger als drei Monate zurück lag.

Und: Nach Ansicht der befragten Apotheker (70 Prozent) "ist es schwer, den Kunden von einer Alternative zu überzeugen, wenn ein Arzt ein freiverkäufliches Arzneimittel empfiehlt".

Bei der Industrie sei der Stellenwert der arztgestützten Selbstmedikation zwar unbestritten. 83 Prozent der befragten Manager attestierten der Arztempfehlung "sehr hohe oder hohe" Relevanz.

Vor allem freiverkäufliche Gerinnungshemmer

Allerdings würden dennoch viele OTC-Hersteller den Arzt marketingseitig vernachlässigen, erklärt Arnt Tobias Brodtkorb, Managing Partner der Sempora-Gruppe.

So habe eine Analyse von 40 OTC-Produktkategorien ganz erhebliche Unterschiede zwischen den Anbietern gezeigt, was die Einschätzung der Arztempfehlung betrifft.

Immerhin 75 Prozent der Firmenchefs äußerten die Absicht, künftig stärker auf Arztempfehlungen für ihre OTC-Produkte setzen zu wollen.

Besonders häufig empfehlen Hausärzte der Studie zufolge freiverkäufliche Gerinnungshemmer (60 Prozent Empfehlungsanteil bei Selbstkäufen in der Apotheke), Vitamin D (59 Prozent), Tränenflüssigkeit (46 Prozent), Kreislaufmittel (35 Prozent) und Stomatologika (34 Prozent). Ausgesprochen niedrig fällt dagegen die ärztliche Empfehlungsquote unter anderem bei Homöopathika-Käufen (5 Prozent), Migräne- (4 Prozent) oder Erkältungsmitteln (3 Prozent) aus.

Und was sind die Motive für Ärzte, ihren Patienten ein OTC-Produkt ans Herz zu legen? In erster Linie Kosteneinsparungen für das Gesundheitssystem; 65 Prozent der befragten Hausärzte bejahten das.

54 Prozent nutzen die Produktempfehlung als "psychologische Unterstützung" der Patienten. Und 51 Prozent sind vom Produktnutzen überzeugt.

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