Health-Apps

Zeit der Spielereien ist vorbei

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Am Puls der Zeit: Health-Apps sind nicht nur in, sondern können zum Teil auch medizinisch sinnvolle Dienste tun.

Am Puls der Zeit: Health-Apps sind nicht nur in, sondern können zum Teil auch medizinisch sinnvolle Dienste tun.

© vege/fotolia.com

Das zarte Pflänzchen der digitalen mobilen Gesundheitsanwendungen ist mittlerweile ein kräftiges Gewächs geworden. Das zeigte sich auch bei der conhIT, wo während des App Circus zehn spannende Anwendungen präsentiert wurden.

Von Philipp Grätzel von Grätz

BERLIN. Der App Circus ist eine internationale Veranstaltungsreihe, bei der innovative App-Anbieter gegeneinander antreten, wobei sie jeweils drei Minuten Zeit haben, um die Jury von sich zu überzeugen.

Der App Circus bei der conhIT 2015 fokussierte explizit auf ernsthafte medizinische Anwendungen, es waren also keine Wellness-Apps zugelassen.

Dass die Zeit der digitalen Spielereien vorbei ist, zeigte sich schon daran, dass fast alle Anbieter ganz selbstverständlich von ihrer Medizinproduktezertifizierung sprachen.

Die Frage "Zertifizierung oder nicht?" stellt sich kaum mehr, höchstens die Frage, auf welcher Stufe zertifiziert wird.

Herzfunktion auf 15 Kanälen

Aus Sicht niedergelassener Ärzte spannend waren unter anderem die drei Apps WoundDesk, CardioSecur active und Smart Medication. Über letztere hat die "Ärzte Zeitung" schon wiederholt berichtet. Es handelt sich um eine Telemonitoring-App für die Selbsttherapie bei Bluterpatienten, die vom Arzt "verordnet" wird.

Den ersten Preis hätte diese App mit Sicherheit verdient gehabt. Da sie allerdings bereits 30 Prozent der Ärzte, die Bluter behandeln, und 15 Prozent der Bluter erreicht, war sie der Jury wohl nicht neu genug. Das Telemonitoring bei Blutern ist einer der Bereiche, in denen sich die Frage der Erstattung telemedizinischer Leistungen derzeit am drängendsten stellt.

An Patienten nach Herzinfarkt richtet sich die App CardioSecur active. Es ist eine ausgereifte EKG-App, die als Medizinprodukt auf Stufe IIa zertifiziert ist. Mit Hilfe einfach zu bedienender Elektroden zeichnen Patienten bei Beschwerden ein 12-Kanal-EKG plus Hinterwandableitungen V7 bis V9 auf.

Die Auswertung erfolgt automatisch mit Hilfe eines Algorithmus. Bei infarktverdächtigen Befunden wird ein Dokument erzeugt, das das aktuelle EKG sowie ein hinterlegtes Referenz-EKG des Patienten enthält.

Dieses Dokument wird an einen vom Patienten zu bestimmenden Arzt geschickt, der dann das weitere Vorgehen organisiert. Einer der Vorteile dieses Systems ist, dass der Arzt bei Beschwerden zuhause ein Akut-EKG zu sehen bekommt, das er sonst nie zu Gesicht bekäme. CardioSecur active richtet sich primär an besorgte Patienten.

App fürs Wundmanagement

WoundDesk von digitalMedLab ist dagegen eine echte Arzt-App für das Wundmanagement. Mit ihr werden Wunden fotografiert, ausgemessen und nach evidenzbasierten Kriterien bewertet.

Am Ende steht derzeit ein pdf-basierter Wundreport. Aber auch an einem Export der detaillierten Daten über eine Schnittstelle wird gearbeitet. Verkaufen wollen die Entwickler ihre WoundDesk-App primär an IT-Hersteller. Es könnte also sein, dass der eine oder andere Arzt künftig in seiner Praxis-IT die Funktionen wiederfindet.

In die App-Offensive gehen will auch die Techniker Krankenkasse, die mit ihrem TK DiabetesTagebuch am App Circus beteiligt war. Es handelt sich um ein digitales Blutzuckertagebuch mit den üblichen Funktionen, das allerdings als besonderes Feature an das Gesundheits-Coaching der TK angedockt wird.

Der Diabetespatient dokumentiert also nicht nur, er wird auch beraten. Der behandelnde Arzt bleibt derweil dank automatisch generierter pdf-Berichte auf dem Laufenden. Als eine von wenigen Diabetes-Apps bisher wird die TK-App herstellerunabhängig sein.

Der Patient muss sein Messgerät nicht wechseln. Die rund 300.000 Teilnehmer des Diabetes-Chronikerprogramms der TK sollen in den nächsten Wochen angeschrieben und über die App informiert werden.

Datensicherheit oft ein Manko

Mit einer hoch innovativen App-Serie zum letztlich verdienten Sieger wurde das Unternehmen Mimi Hearing Technologies. Es richtet sich an schwerhörige Menschen und bietet mit dem Mimi Hearing Test eine App zu Diagnose von Hördefiziten sowie mit dem Mimi Hearing Amplifier eine App, die das Smartphone in ein Personal Sound Amplifier Product (PSAP) verwandelt.

PSAP sind Hörhilfen, die deutlich günstiger sind als professionelle Hörgeräte. Die aktuell erhältliche Mimi App verwendet die iPhone Kopfhörer. Es soll bald aber auch eine drahtlose Version geben.

Nicht immer zum Besten steht es bei E-Health-Apps mit Datenschutz und Datensicherheit. Das zeigt eine ebenfalls bei der conhIT vorgestellte Sicherheitsanalyse von 730 Apps aus unterschiedlichen Branchen durch den Dienstleister ePrivacy.

In dieser Analyse schnitten E-Health-Apps im Vergleich zu Banking-Apps, Reise-Apps oder Kommunikations-Apps sehr schlecht ab: 70 Prozent der untersuchten E-Health-Apps hatten keine Datenschutzerklärung, 64 Prozent hatten keine SSL-Verschlüsselung, und keine einzige E-Health-App hatte einen Schutz gegen Man-in-the-Middle-Angriffe implementiert.

Bei solchen Angriffen werden übertragene Daten verändert, ohne dass der Empfänger das merkt. Das kann etwa bei Diabetes-Apps, die auf Basis aktueller Messwerte Insulindosierungen vorschlagen, katastrophale Folgen haben.

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