E-Health

Apps sollen Wartezeit auf Psychotherapie überbrücken

Selbsthilfe-Tipps bei Depressionen, Deutung von Migräne-Anfällen: Beim Neurologen- und Psychiatertag wurden einige vielversprechende App-Trends für Ärzte und Patienten vorgestellt.

Von Nina Nöthling Veröffentlicht:
Mit dem Smartphone gegen Depression. Apps sollen helfen Gefühle zu klassifizieren.

Mit dem Smartphone gegen Depression. Apps sollen helfen Gefühle zu klassifizieren.

© Microstock Man / fotolia.com

KÖLN. Die Digitalisierung ist vielen Bereichen der Medizin schon weit fortgeschritten. So kann zum Beispiel die App Preventicus mithilfe der Handykamera Vorhofflimmern erkennen. Doch auch in der Neurologie und Psychiatrie gibt es Neuentwicklungen. Dr. Markus Müschenich, Pädiater und Vorsitzender des Bundesverbands der Internetmedizin, stellte auf dem Neurologen- und Psychiatertag in Köln einige vor. Dabei unterteilte er die aktuellen Trends in vier Kategorien: Doctor On Demand, Health Companion, Digitale Therapie sowie Sensoren, Algorithmen und Big Data.

Zur ersten Kategorie gehört Patientus. Diese Anwendung für Online- Videosprechstunden sei einer der Gründe gewesen, aus denen die Video-Sprechstunde in das E-Health-Gesetzt aufgenommen wurde, sagte der Experte. Mittlerweile gibt es mehrere Anbieter für Videosprechstunden. In den USA gibt es eine Weiterentwicklung dieses Systems: den sogenannten Health-Kiosk. Dabei handelt es sich um Anwendungen, die neben einer Videoverbindung zum Arzt auch mit diversen medizinischen Sensoren ausgestattet sind. So kann der Arzt auch über die Entfernung die Brust abhören oder den Blutdruck messen. Diese Technik könnte gerade in ländlichen Gebieten die Versorgung verbessern. Müschenich: "Das ist möglicherweise etwas, das wir bald in Gebieten wie Mecklenburg-Vorpommern sehen werden."

Arya soll gegen Depression helfen

Health-Companions sind Apps, die Patienten 24 Stunden lang bei ihrer chronischen Krankheit begleiten, erklärte Müschenich. Hier gibt es bereits eine Anwendung im Bereich der Neurologie und Psychiatrie: Arya, eine App für Menschen mit Depressionen. Sie wurde von einer Betroffenen entwickelt, die wie viele andere auch keinen Termin bei einem Therapeuten bekam, berichtete der Arzt. "Die Idee hinter Arya war es, eine effektive Selbsthilfe-App zu bauen." Arya bietet Nutzern Informationen zu der Krankheit, hilft, Gefühle zu klassifizieren, und gibt einfache Tipps, um die Wartezeit zu überbrücken. Mittlerweile sei die App mehr als 35.000 Mal heruntergeladen worden, und eine Gemeinschaft auf Facebook und Instagram sei entstanden. Weil sie so erfolgreich ist, soll die App mit Hilfe von Müschenichs Inkubator "flying health" ausgebaut werden. "Es wird ein Dashboard geben, über das Therapeuten eigene Hausaufgaben erstellen und an den Patienten geben können", sagte er. Das habe den Vorteil, dass Patienten sie unterwegs oder in der Bahn unauffällig erledigen können.

Außerdem werde eine Plattform für Online-Psychotherapien entwickelt. Das fänden auch die Krankenkassen interessant. "Sie sind bereit, dafür auch mehr Geld auszugeben." Die Hoffnung der Kassen ist, dass durch Online-Psychotherapien depressive Menschen während der Wartezeit auf einen Termin besser versorgt werden und so die Ausgaben für das Krankengeld sinken.

"Um die Rückfallquoten zu verbessern, gibt es den sogenannten Arya Hero." Das ist ein auf künstlicher Intelligenz basierender Algorithmus, der anhand der Aktivität des Patienten erkennen soll, ob ein Rückfall kurz bevorsteht.

Migräne-Ursachen auf der Spur

In den Bereich Sensoren, Algorithmen und Big Data fällt die App M-Sense, die Ursachen für Migräne erkennt. Migräne sei immer noch eine Gleichung mit vielen Unbekannten, sagte Müschenich. "Oft ist nicht festzustellen, warum jemand Migräne bekommt." Künstliche Intelligenz kann dabei behilflich sein, denn Software könne viel mehr Daten und Werte analysieren als Menschen. Bei M-Sense dokumentiert der Patient acht Migräneanfälle, diese untersucht die App nach Auslösefaktoren. "Danach kann M-Sense sagen, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Patient an dem Tag einen Anfall bekommen wird", so Müschenich.

Er appellierte an seine Kollegen, sich bei der Entwicklung und der Implementierung der neuen Technik einzumischen. Nur so könne die Qualität gesichert werden. "Egal, ob wir das doof oder interessant finden, es gibt keinen Grund sich hier nicht einzumischen – entweder um das Schlimmste zu verhindern oder um die Anwendungen noch besser zu machen."

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