Shared Decision Making

Den Patienten als Partner begreifen

Immer öfter informieren sich Patienten vor dem Arztbesuch im Internet. Deshalb benötigen sie aber nicht weniger Zuwendung in der Praxis. Ganz im Gegenteil: Die vielen ungefilterten Infos können auch zusätzliche Ängste schüren. Helfen kann hier das Konzept des Shared Decision Making.

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Patienten befinden sich durch ihre Erkrankung in einer mentalen Ausnahme- und Stresssituation. Daher benötigen sie anschauliche Erklärungen.

Patienten befinden sich durch ihre Erkrankung in einer mentalen Ausnahme- und Stresssituation. Daher benötigen sie anschauliche Erklärungen.

© Klaus Rose

BERLIN. Kommunikation und Zuwendung zählen zu den wichtigsten Instrumenten im Handwerkskoffer eines Arztes. Das gelte gerade in Zeiten, in denen Patienten ihre Symptome erst einmal googeln, bevor sie in die Praxis kommen, sagte Dr. Bernhard Gibis von der KBV auf der gemeinsam mit der Bundesärztekammer veranstalteten Fachtagung "Arzt-Patienten-Kommunikation" in Berlin.

Es brauche kommunikativ geschulte Ärzte, die die Dinge einordnen und den Patienten erklären können, so der Leiter des Geschäftsbereichs Sicherstellung und Versorgungsstruktur bei der KBV.

Erwartungen genau erfragen

Was sich Patienten wünschen

Über die Hälfte der Patienten wünschen sich, mit ihrem Arzt gemeinsam die Therapieentscheidung zu treffen. Das zeigen die Daten aus den Jahren 2001 bis 2012 im Gesundheitsmonitor von Bertelsmann Stiftung und Barmer GEK.

95 Prozent der Patienten wollen dabei ausführliche Informationen zu Vor- und Nachteilen der Therapie, 79 Prozent die Möglichkeit, noch anderweitige Infos zu erhalten.

Ein Ansatzpunkt, der Ärzten bei dieser Einordnung helfen kann, ist die partizipative Entscheidungsfindung (PEF) - auch als Shared Decision Making bekannt. Denn hier finde nicht nur eine gleichberechtigte Entscheidung mit aktiver Beteiligung des Patienten statt, wie Privatdozentin Dr. Corinna Bergelt vom Uniklinikum Hamburg-Eppendorf erläuterte.

Innerhalb des Prozesses der PEF arbeiten Arzt und Patient auch gemeinsam die Wünsche und Erwartungen des Patienten heraus. Und Ärzte lernen, die eher emotionale und von Ängsten besetzte Sprache besser zu verstehen.

Ein Hauptproblem in der Kommunikation zwischen Arzt und Patient ist laut der Diplom-Psychologin nämlich, dass der Arzt krankheitsspezifisch eher eine objektive Bewertung von Nutzen und Kosten für das aktuelle gesundheitliche Problem vornimmt. Der Patient aber bewertet die Situation subjektiv - und bezieht in diese Bewertung sein ganzes persönliches Umfeld samt der Auswirkungen auf sein Arbeits- und soziales Leben mit ein.

"Da sind Missverständnisse wahrscheinlich", so Bergelt. Ganz entscheidend sei es daher, sich immer wieder im Gespräch rückzuversichern, was der Patient verstanden hat und vorab zu ermitteln, wie viel er schon weiß und wo Ängste liegen.

Therapieoptionen aufzeigen

Wichtig ist aber auch, dass zunächst das Problem definiert wird: "Teilen Sie dem Patienten mit, dass eine Entscheidung zwischen zwei oder mehreren Therapieoptionen ansteht - und dass sie die Entscheidung gemeinsam fällen wollen", sagte Bergelt. Dann folgt eigentlich der schwierigste Teil: Der Arzt muss die einzelnen Optionen mit ihren Vor- und Nachteilen beschreiben.

"Nutzen Sie hier zusätzliche Infomaterialien wie Entscheidungstafeln, Patienten-Informationen und vor allem grafische Elemente", riet Bergelt. Denn je nachdem wie eine Information formuliert ist, kann sie die Entscheidung des Patienten in die eine oder andere Richtung beeinflussen, obwohl dies gar nicht das Ansinnen des Arztes war.

Bergelt nennt ein Beispiel. In einer Studie wurden Patienten gefragt: "Wenn der Arzt Ihnen zu einer Angioplastie raten würde, würden Sie es machen?" Dabei sei der einen Hälfte der Teilnehmer gesagt worden, dass bei 99 Prozent der Patienten keine Komplikationen auftreten würden. Wodurch fast die Hälfte dieser Gruppe angab, wahrscheinlich oder definitiv der Angioplastie zuzustimmen.

Der zweiten Gruppe der Teilnehmer wurde hingegen gesagt, bei einem Prozent würden Komplikationen auftreten. Das Ergebnis: Diese Patienten stimmten der Therapie eher nicht zu. Bergelt: "Es ist dieselbe Aussage, nur anders formuliert."

Infomaterial mitgeben

Sie empfiehlt daher, den Patienten auch Infomaterialien mitzugeben, damit sie sich zu Hause mit Familie und Freunden noch einmal beraten können. Eine ganze Sammlung an Unterstützungsmaterialien findet sich laut der Diplom-Psychologin auf der Website www-patient-als-partner.de. Zudem sei es besser, wenn Ärzte mit absoluten statt relativen Häufigkeiten arbeiten würden, denn diese könnten Patienten besser nachvollziehen.

Hat der Patient die Infos erhalten und auch verstanden - hier ist es wieder wichtig, dass der Arzt nachhakt -, wird die Präferenz des Patienten abgeklärt. Erst dann erfolge die Entscheidungsfindung, so Bergelt. Wobei der Arzt an diesem Punkt noch einmal klären müsse, wie stark sich der Patient an der Entscheidungsfindung beteiligen will.

Bergelt: "Treffen Sie aber auch eine Vereinbarung zur Umsetzung". Dass die partizipative Entscheidungsfindung positiv auf das Arzt-Patienten-Verhältnis wirkt, zeigen laut Bergelt gleich mehrere Studien. Dabei verbessere sich die Risikowahrnehmung der Patienten ebenso wie die Krankheitsbewältigung.

Einmal davon abgesehen, dass der Patient das Gefühl hat, der Arzt nimmt sich mehr Zeit. Doch auch die Ärzte seien zufriedener mit den Patientenkontakten. Aber: "Dass das Gespräch dadurch länger wird, konnte bislang noch keine Studie nachweisen", berichtet Bergelt. (reh)

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