Privatmedizin

Essenzielle Stütze für Niedergelassene

Im Vergleich zur GKV müssen die privaten Krankenversicherer tiefer in die Tasche greifen, um die Forderungen ihrer Kunden zu begleichen. Das bestätigt die Systemrelevanz der PKV, wie eine aktuelle Studie der Branche nahelegt.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Die privat zu liquidierende Behandlung von Patienten ist eine wesentliche Säule des Praxisumsatzes.

Die privat zu liquidierende Behandlung von Patienten ist eine wesentliche Säule des Praxisumsatzes.

© Kai Remmers / dpa

KÖLN. Die niedergelassenen Ärzte haben 2015 im Schnitt durch die höhere Vergütung für die Behandlung von Privatpatienten 50.200 Euro zusätzlich erwirtschaftet. Das ergibt eine aktuelle Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der PKV (WIP). Insgesamt beziffert das Institut den sogenannten Mehrumsatz – Privathonorar minus EBM-Vergütung für vergleichbare Behandlung – in der ambulanten ärztlichen Versorgung auf knapp 6,1 Milliarden Euro.

Bei den Zahnärzten ist der Effekt noch größer. Bei ihnen profitierten die Praxen durchschnittlich von 61.900 Euro Mehrumsatz. Bei den Heilmittelerbringern brachten Privatpatienten immerhin noch 15.600 Euro zusätzlich ein. "Das zeigt die elementare Bedeutung der Privatversicherten für den Bestand der ärztlichen Infrastruktur", schreiben die Autoren Sonja Hagemeister und Dr. Frank Wild in ihrer Analyse.

Wahlkampfmunition

Als Mehrumsatz bezeichnet das WIP den Betrag, der den Leistungserbringern durch die Existenz der privaten Krankenversicherer zusätzlich zur Verfügung steht. Das Institut ermittelt den Wert, indem es die von der PKV bezahlten Vergütungen denen gegenüberstellt, die die Krankenkassen für die Behandlung derselben Patienten gezahlt hätten. "Diese zusätzlichen Finanzmittel ermöglichen Investitionen in die medizinische Infrastruktur, in die Erforschung neuer Behandlungsmethoden und in die Einstellung von medizinischem Fachpersonal."

Das Institut untersucht den Mehrumsatz bereits seit Jahren. Es ist sicher kein Zufall, dass die Auswertung für 2015 nur ein halbes Jahr nach der Auswertung für 2014 erfolgt – passend zum Bundestagswahlkampf, in dem mit SPD, Grünen und Linken immerhin drei Parteien die Bürgerversicherung im Programm haben. "Gesundheitspolitische Vorschläge, die die Bedeutung der PKV im deutschen Gesundheitswesen herabsetzen, würden damit zu negativen Folgewirkungen für die Anbieter von Gesundheitsleistungen und für deren GKV- und PKV-Patienten führen", schreiben Hagemeister und Wild denn auch.

Über alle Leistungsbereiche beziffern die PKV-Forscher den Mehrumsatz 2015 mit 12,6 Milliarden Euro. Das waren 1,4 Prozent mehr als im Vorjahr. "Den höchsten prozentualen Anstieg verzeichnen die Ausgaben für Hilfsmittel (9,8 Prozent) und Arznei- und Verbandmittel (5,6 Prozent)." Die ambulante ärztliche Versorgung und der stationäre Sektor als die beiden größten Leistungsbereiche haben dagegen mit 1,2 Prozent und 0,6 Prozent unterproportional zugelegt.

Der Mehrumsatz im ambulanten ärztlichen Bereich ist laut WIP nicht nur auf die Unterschiede zwischen GOÄ und EBM zurückzuführen. Dort schlagen sich demnach auch die in der GKV greifenden Instrumente zur Ausgaben- und Mengenbegrenzung nieder. Das sind etwa die Plausibilitäts- und Wirtschaftlichkeitsprüfungen oder die Regelleistungsvolumina.

In der PKV erfolge die Steuerung der Leistungsausgaben dagegen ausschließlich über den privatrechtlichen Versicherungsvertrag, so die Autoren. Begrenzungen sehen sie lediglich in Vorgaben zu einzelnen GOÄ-Positionen und in der begrenzten Anwendbarkeit von Steigerungsfaktoren. Weitere Mengenbegrenzungen gebe es nicht. "Daher ist der Arzt bei der privatärztlichen Abrechnung unter Einhaltung der medizinischen Notwendigkeit und der Abrechnungsbestimmungen der GOÄ frei in seiner Diagnostik und Therapieentscheidung."

PKV zahlt mehr für ambulant

Hagemeister und Wild weisen darauf hin, dass aufgrund der unterschiedlichen Systematik in der ambulanten ärztlichen Versorgung ein Mengeneffekt vermutet werden kann. Ärzte hätten aber auch Anreize, Privatversicherte länger ambulant zu versorgen und später einzuweisen, was häufig im Interesse der Patienten liege. Sie betonten, dass es für ein verzögertes Einweisungsverhalten keinen empirischen Beleg gibt. "Ein Indiz für diese These ist allerdings, dass der Anteil der ambulanten ärztlichen Versorgung in der PKV höher ausfällt als für den stationären Bereich, während sich dies in der GKV umgekehrt darstellt."

2015 gab die PKV für ambulante ärztliche Behandlungen 10,7 Milliarden Euro aus, für Krankenhausbehandlungen 9,2 Milliarden Euro. Der Mehrumsatz der Kliniken betrug laut WIP 693 Millionen Euro.

6,1 Mrd. Euro Mehrumsatz brachte niedergelassenen Ärzten 2015 die Behandlung von Privatpatienten – im Schnitt 50.200 Euro je Praxis. Das ergibt eine aktuelle Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der PKV (WIP).

Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

NHANES-Analyse

Bei Hörminderung: Hörgeräteträger leben länger

Lesetipps
Neue Hoffnung für Patienten mit Glioblastom: In zwei Pilotstudien mit zwei unterschiedlichen CAR-T-Zelltherapien blieb die Erkrankung bei einigen Patienten über mehrere Monate hinweg stabil. (Symbolbild)

© Richman Photo / stock.adobe.com

Stabile Erkrankung über sechs Monate

Erste Erfolge mit CAR-T-Zelltherapien gegen Glioblastom

Die Empfehlungen zur Erstlinientherapie eines Pankreaskarzinoms wurden um den Wirkstoff NALIRIFOX erweitert.

© Jo Panuwat D / stock.adobe.com

Umstellung auf Living Guideline

S3-Leitlinie zu Pankreaskrebs aktualisiert