DDR-Staatsdoping wird historisch aufgearbeitet

JENA (ddp.vwd/eb). Zum ersten Mal weltweit will ein Unternehmen seine Rolle in Zusammenhang mit Doping erforschen lassen: Die Jenapharm GmbH in Jena will 15 Jahre nach der Wende Licht in das dunkle Kapitel des Staatsdopings im DDR-Sport bringen. Zu diesem Zweck habe das Unternehmen einen Forschungsauftrag an die Friedrich-Schiller-Universität Jena vergeben, der sich besonders mit der Rolle der Pharmaindustrie in dem System beschäftigt, sagte Jenapharm-Geschäftsführerin Isabel Rothe am Mittwoch in Jena.

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Das Forschungsprojekt "Unterstützende Mittel - Doping im Sportsystem der DDR und die Rolle der pharmazeutischen Industrie" wird vom emeritierten Historiker Professor Lutz Niethammer geleitet, der als Berater der Bundesregierung zur Zwangsarbeiterentschädigung tätig war und bereits verschiedene Themen zur Aufarbeitung von DDR-Geschichte untersuchte.

Niethammer hat sich als Vertreter der "Oral History" einen Namen gemacht, die stark auf Interviews mit Zeitzeugen zurückgreift. Der Arzneimittelhersteller finanziert das auf zwei Jahre angelegte Vorhaben mit etwa 250 000 Euro.

Wie wichtig eine Auseinandersetzung mit dem Thema sei, machten die Entschädigungsforderungen von etwa 160 Dopingopfern und der in Aussicht gestellte Prozeß klar, mit denen das Unternehmen Jenapharm seit kurzem konfrontiert sei, sagte Isabel Rothe. "Ja, wir sind sehr unter Druck geraten", räumte sie ein.

"Bei dem Forschungsauftrag an die Universität geht es uns jedoch nicht um ein Gutachten, das wir vor Gericht verwenden", erklärte Rothe. Nach Darstellung der Geschäftsführerin soll "eine kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit" des Unternehmens stattfinden, die den "Kriterien seriöser Wissenschaft" entspricht.

Daß bei Jenapharm, das in der DDR eine Monopolrolle als Hormonproduzent innehatte, Medikamente hergestellt wurden, die als Dopingmittel Verwendung fanden, darunter das anabole Präparat Oral-Turinabol, sei seit längerem unstrittig, räumte Isabel Rothe ein. Jedoch habe der Produzent kaum Verantwortung für die Verabreichung dieser Mittel an Sportler getragen. Diese habe eher bei Sportärzten und Trainern gelegen, erklärte sie.

Nach Angaben von Niethammer, der von 1993 bis 2005 Lehrstuhlinhaber für Neuere und Neueste Geschichte war, geht es den Historikern darum, aufzuklären, welche Verantwortung die Pharmaindustrie wirklich getragen hat. Dazu gebe es kaum Dokumente. "In der DDR wurden zu solchen Themen oft nur mündliche Absprachen getroffen", sagte Niethammer. Bei Jenapharm seien nur acht Leitz-Ordner gefunden worden, die Bezug zum Thema haben könnten.

Es könne nicht generell davon ausgegangen werden, daß alles von oben verordnet wurde und unten keine Verantwortung lag, sagte Niethammer. Die Wissenschaftler interessiere etwa, wie stark sich Beteiligte selbst mobilisiert hatten. Dazu suchen sie Aufklärung in Materialien, unter anderem bei der Birthler-Behörde, in Gesprächen mit Beteiligten aus dem Unternehmen und anderen Einrichtungen sowie mit Dopingopfern.

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