Meditation statt Medizin

Esoteriker-Paar klagt gegen Haftstrafe

Sie ließen zu, dass ein schwer krankes Kind immer kranker wurde. Aus esoterischen Gründen vertrauten sie darauf, dass auch ohne Arzt alles gut wird. Der Bundesgerichtshof muss entscheiden, ob eine Haftstrafe für Mutter und Stiefvater rechtens ist.

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KARLSRUHE. Vorsatz oder doch nur Fahrlässigkeit - der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe prüft seit Dienstag, ob eine Mutter und ihr Lebensgefährte wegen Misshandlung eines schwer kranken Kindes ins Gefängnis müssen.

Strittig ist, ob die beiden Esoteriker den damals zwölf Jahre alten Jungen absichtlich leiden ließen, indem sie die dringend notwendige Behandlung seiner Stoffwechselkrankheit Mukoviszidose abbrachen und stattdessen auf alternative Heilmethoden vertrauten.

Ein Urteil soll an diesem Mittwoch (8. Juli) fallen. Mutter und Stiefvater des Kindes waren zwischen 1999 und 2002 nicht mit ihm beim Arzt gewesen. Stattdessen setzten sie auf Fasten und Meditieren.

Mit knapp 16 Jahren floh der Junge schließlich zu seinem Vater, nachdem er auf 30 Kilo abgemagert und seine Lunge irreparabel geschädigt war.

Landgericht verurteilte zu drei Jahren Haft

Das Landgericht Nürnberg-Fürth ging von Vorsatz aus - und verurteilte Mutter nebst Lebensgefährten wegen Misshandlung Schutzbefohlener zu jeweils drei Jahren Haft. „Meiner Ansicht nach legte das Landgericht den Begriff der Qual zu weit aus“, erläuterte die Anwältin der Frau, Kristine Eberlein.

Der Junge habe sich gegen die Behandlung gesträubt, die Mutter habe ihn nicht zwingen wollen und sei überzeugt gewesen, ihm mit esoterischen Methoden Gutes tun zu können.

„Sie wollte das Wohl ihres Kindes mit abstrusen Mitteln erreichen, aber sie wollte immer noch sein Wohl“, sagte Eberlein.

Die BGH-Richter ließen deutliche Zweifel erkennen, ob dem unheilbar kranken Kind die Verantwortung für die Behandlung seiner Krankheit hätte aufgebürdet werden dürfen: Mutter und Stiefvater hatten es dem Jungen selbst überlassen, ob er Medikamente nahm oder nicht.

Der heute 28 Jahre alte Sohn reichte kurz vor der Verjährung Klage ein. „Er wollte nicht, dass anderen Kindern ähnliches widerfährt“, sagte sein Anwalt Mathias Klose.

Die Frau und ihr Freund, der als „Guru von Lonnerstadt“ bekanntgeworden war, hatten Revision gegen das Urteil vom vergangenen August eingelegt. (dpa)

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