Stenose ohne Ischämie

Herzkatheter ist überflüssig

Bei mittelgradigen Koronarstenosen, die keine Ischämien verursachen, hat eine invasive Intervention per Herzkatheter keinen Nutzen - auch nicht auf sehr lange Sicht, wie 15-Jahres- Ergebnisse jetzt belegen.

Peter OverbeckVon Peter Overbeck Veröffentlicht:
Koronararterienstenose mit resultierendem Infarktbereich.

Koronararterienstenose mit resultierendem Infarktbereich.

© Iom123 / fotolia.com

PARIS. Die invasive Koronarangiografie war über Jahrzehnte der Goldstandard in der Diagnostik der KHK. Bei mittelgradigen Stenosen im Koronarangiogramm ist es allerdings schwer, allein durch visuelle Abschätzung deren hämodynamische Bedeutung zu erkennen.

 Mit der FFR-Methode ("Fraktionelle Flussreserve") steht seit geraumer Zeit ein diagnostisches Verfahren zur Verfügung, mit dem sich die funktionelle Relevanz intermediärer Einengungen in Koronararterien während der invasiven Untersuchung gut abklären lässt.

Die per Messung mit einem speziellen Druckdraht ermittelte FFR ist eine Kennziffer, die angibt, wie sehr eine Stenose den koronaren Blutfluss und damit die Versorgung des Myokards mit sauerstoffreichem Blut einschränkt.

FFR-Werte größer 0,80 gelten als Indikator dafür, dass keine stenosebedingte Myokardischämie vorliegt. Eine Koronarintervention mit Stent-Implantation wäre hier wohl nutzlos oder gar von Nachteil.

Studie prüft auf Tauglichkeit

DEFER war die erste größere Studie, in der das Konzept der FFR-Messung auf seine klinische Tauglichkeit geprüft worden ist. An der 1997 gestarteten Studie waren 325 stabile KHK-Patienten mit mittelgradigen Koronarstenosen beteiligt.

Nach FFR-Evaluierung der angiografisch sichtbaren Koronarverengungen wurden die Patienten mit einer FFR größer 0,75 - der damals geltende Schwellenwert - randomisiert zwei Gruppen zugeteilt: In der einen Gruppe wurde eine perkutane Koronarintervention (PCI) vorgenommen (Perform-Gruppe), in der anderen dagegen bis auf Weiteres auf einen solchen invasiven Eingriff verzichtet (Defer-Gruppe). Bei einer FFR kleiner 0,75 wurde generell eine PCI durchgeführt (Referenzgruppe).

Nach fünf Jahren zeigte sich, dass in der Referenzgruppe mit Ischämien induzierenden Stenosen und konsekutiver Koronarintervention die Ereignisrate für Tod und Myokardinfarkt mit 15,7 Prozent signifikant höher war als in den beiden anderen Gruppen.

Wenn bei einer gemäß FFR-Messung nicht relevanten Stenose dennoch eine PCI durchgeführt wurde, betrug nach fünf Jahren die Ereignisrate für Tod und Myokardinfarkt 7,9 Prozent (Perform-Gruppe). Wurde bei einer FFR größer 0,75 dagegen auf eine Koronarintervention verzichtet, resultierte eine Ereignisrate von 3,3 Prozent (Defer-Gruppe).

Obwohl die Rate in dieser Gruppe numerisch deutlich niedriger war als in der Perform-Gruppe, erwies sich der Unterschied als nicht statistisch signifikant (p=0,21). Auch hinsichtlich der Symptomatik unterschieden sich beide Gruppen nicht.

Die DEFER-Autoren waren in der Lage, ihre Nachbeobachtung noch weiter auszudehnen. Die 15-Jahres-Ergebnisse der Studie, die auf Daten von mehr als 90 Prozent aller Teilnehmer basieren, hat Dr. Nico Pijls aus Eindhoven jetzt beim Kongress EuroPCR in Paris vorgestellt.

Auch nach so langer Zeit war von nachteiligen Auswirkungen des Verzichts auf die invasive Koronarintervention nichts zu entdecken. Im Gegenteil. Zumindest bei der Inzidenz von Myokardinfarkten zeigte sich sogar ein signifikanter Vorteil zugunsten der Defer-Gruppe im Vergleich zur Perform-Gruppe (2 versus 13 Ereignisse). Dagegen war die Zahl der Todesfälle mit 30 (Defer) und 26 (Perform) nicht signifikant unterschiedlich, ebenso die Zahl der Revaskularisationen (PCI, Bypass: 60 versus 53).

Ohne Drug-eluting-Stents

Studienleiter Pijls zieht aus diesen Ergebnissen den Schluss, dass eine Koronarintervention bei "nicht ischämischen Stenosen" auch auf sehr lange Sicht weder prognostisch noch symptomatisch von Vorteil ist. Zwar lasse sich an der Studie kritisieren, dass nicht die moderne interventionelle Koronartherapie inklusive Drug-eluting-Stents verwendet wurde.

Angesichts der insgesamt relativ niedrigen Ereignisrate bei den Patienten mit nicht ischämisch relevanten Stenosen glaubt Pijls jedoch nicht, dass dies einen substanziellen Unterschied ausgemacht hätte.

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